Kulturpolitische und regionalhistorische Würdigungen

Festakt zur Übergabe von Saalburg- und Förderpreis

Von Petra Pfeifer, 10. August 2022

Hochtaunuskreis. Bereits im März dieses Jahres stand fest: Dr. Stefan Ruppert erhält den Saalburgpreis des Hochtaunuskreises für Geschichts- und Heimatpflege und Johannes Martin Müller den Förderpreis zum Saalburgpreis. Nun fand in der Hans-Thoma-Schule in Oberursel der Festakt zu deren Übergabe statt. Zunächst war es an Gregor Maier, Fachbereichsleiter Kultur des HTK, die vielen geladenen Gäste zu begrüßen. Besonders freute er sich darüber, dass unter ihnen auch Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger.

In seiner Ansprache betonte Landrat Ulrich Krebs die Bedeutung von aktiver und reflektierter Kulturpolitik auf lokaler und regionaler Ebene, für die der Preisträger in besonderer Weise stehe. Daher sei diese 30. Preisverleihung im Jahr des 50. Geburtstags des Hochtaunuskreises in besonderer Weise exemplarisch für die Bedeutung von Kultur und Geschichte, für das Profil und Selbstverständnis des Kreises.

„Eine aktive, gestaltende Kulturpolitik vor Ort ist unverzichtbar.“

Kunst und Kultur sei mehr als gesellschaftlicher Kitt, mehr als eine Frage des Standortmarketings und des Prestiges: „Es ist ein Grundbedürfnis menschlicher Existenz.“ Den Worten Friedrich Schillers – „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ – folgend sagte Ulrich Krebs: „Der Mensch findet nur da zu sich, gewinnt nur da eine stabile Identität, wo er sich frei und kreativ entfalten kann, mit anderen Worten: wo er einen Raum für seine kulturellen Interessen findet.“ Und dieser Raum sei das Lebensumfeld, weswegen eine aktive, gestaltende Kulturpolitik vor Ort schlicht unverzichtbar sei.

Und somit: „Regionale Kulturpolitik bedeutet, kluge inhaltliche Akzente zu setzen, um gezielt besondere Bereiche zu fördern, die für eine Gemeinde oder eine Region besonders wichtig sind.“ Aus dem Engagement von Dr. Stefan Ruppert ließen sich zahlreiche Beispiel anführen, doch in diesem Zusammenhang griff Ulrich Krebs dessen Engagement als stellvertretender Vorsitzender des Kreisarchivs des Hochtaunuskreises heraus: „Der HTK war einer der ersten Landkreise in Hessen, die ein eigenes Kreisarchiv eingerichtet haben – und zwar von Anfang an nicht nur als Verwahrungsort für Altakten, sondern als Anlaufstelle und Kompetenzzentrum für die Orts- und Regionalgeschichte.“ Diese Konzeption habe sich glänzend bewährt. „Und damit kann ich auch den Bogen schlagen zu unserem Förderpreisträger, Herrn Müller, der heute für seine Masterarbeit über Villen und Landhäuser im Vordertaunus ausgezeichnet wird.“ Diese Arbeit fuße auch zu einem gewichtigen Teil auf Quellen aus dem Kreisarchiv; und darüber hinaus sei durch das Kreisarchiv und seinen Förderverein auch die Drucklegung der Arbeit ermöglicht worden. Dies sei ein kleines Beispiel dafür, wie regionale Kulturpolitik gezielt wirken könne.

Förderpreis trägt Qualifikationsarbeit Rechnung

Dr. Alexandra König, Stadtarchivarin von Königstein, sprach die Laudatio auf Johannes Martin Müller: „Mit Ihrem Buch ‚Villen und Landschaften im Vordertaunus – Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet‘ ist ein Grundlagenwerk entstanden.“ Der Autor habe nicht nur einzelne Bauten betrachtet, sondern den Blick auf die Gesamtanlage geweitet, die sich zur Kulturlandschaft zusammenfüge. „Die Verleihung des Förderpreises des Saalburgpreises trägt dieser Qualifikationsarbeit Rechnung.“

Nun, da Johannes Martin Müller allmählich dem Dasein der Förderung zusehends entwachse, solle er diese Auszeichnung nicht allein als Bestätigung für seine bisherige Arbeit betrachten, sondern auch als Motivation für mehr.

Der Preisträger wiederum dankte zunächst dem Hochtaunuskreis für die finanzielle und kognitive Unterstützung, betonte aber auch die gute Zusammenarbeit mit Susanna Kauffels, Leiterin des Fachreferats Kultur &  Stadtgeschichte in Kronberg, und Beate Großmann-Hofmann, als Königsteins Stadtarchivarin a. D., der Vorgängerin von Dr. Alexandra König.

Ein Verlust für Wissenschaft und Politik

Aus dem Main-Taunus-Kreis war Professor Rudolf Steinberg angereist. Ihm oblag die Laudatio auf den Saalburgpreisträger, bei der er drei seiner Eigenschaften in den Fokus rückte: Den Wissenschaftler, den Politiker und den Stiftungsrat. „Sie wären ein guter Wissenschaftler geworden“, zeigte sich Rudolf Steinberg überzeugt. Daher sei es ein Verlust für die Wissenschaft gewesen, als Stefan Ruppert das Max-Planck-Institut verlassen habe. Doch sein Weg habe ihn vollends in die Politik geführt als er Mitglied des Deutschen Bundestags wurde. In der FDP-Fraktion habe er sich wissenschaftlich-staatsrechtlich orientiert, daher sei sein Ausscheiden auch hier wieder ein Verlust gewesen: „Es gibt nur wenige Politiker, die wissenschaftlich agieren.“

In Bezug auf den Stiftungsrat hob Professor Steinberg besonders Dr. Stefan Rupperts Vorsitz in der Reimer-Stiftung hervor: „Es ist ihm gelungen, den Kooperationsvertrag mit der Goethe Universität fortzusetzen“. Damit sei das Forschungskolleg auf den Weg gebracht. Kurzum: „Alle Ihre Aktivitäten und Eigenschaften zeigen, dass das Kuratorium kaum eine würdigere Persönlichkeit für den Preis hätte finden können.“

Langjähriges persönliches Engagement

In seiner Dankesrede meinte Dr. Stefan Ruppert: „Die Preisverleihung würdigt kein konkretes Leistungsbündel zur Geschichte und Denkmalpflege im Hochtaunuskreis, sondern eher ein langjähriges persönliches Engagement.“ Dieses entspringe einer Haltung, die ihm seine Eltern, nicht zuletzt auch der Großvater und sein zu früh verstorbener akademischer Lehrer Michael Stolleis vermittelt hätten. „Als Soldat des zweiten Weltkrieges und Zeuge des Nationalsozialismus wusste gerade auch mein Großvater um die Verletzlichkeit von Frieden und Demokratie“, so Ruppert. Die Lehre daraus sei ein um Bildung bemühter und an den Belangen des Gemeinwesens interessierter aktiver Bürger.

Es seien ebenfalls engagierte Bürger gewesen, die nach dem zweiten Weltkrieg zum Wiederaufstieg des Landes nach seiner größten Katastrophe beigetragen, die Westbindung, das Grundgesetz und die soziale Marktwirtschaft geschaffen hätten: „Bis heute sind mit dem Bürgertum Opern, die Nation der Dichter und Denker, Stiftungen und Mäzenatentum verbunden. Kultureinrichtungen, nicht selten vor 1933 von erfolgreichen jüdischen Bürgern gestiftet, lebten fort oder wieder auf.“ Kunst und Kultur seien das Lebenselixier einer freien Gemeinschaft.

Für Freiheiten streiten, verantwortlich handeln, Bindungen eingehen

Zwar käme der Bürgerbegriff allmählich in die Jahre, sein Nachteil sei seine mangelnde Anziehungskraft auf jüngere Menschen. Dennoch eine Würdigung und positive Umschreibung: „Bürgerlich zu sein und bürgerschaftlich zu handeln heißt für mich für Freiheiten zu streiten, verantwortlich zu handeln und Bindungen einzugehen. Bindungen zu starken staatlichen Institutionen, die sich auf Wesentliches konzentrieren, Bindungen zu bürgerschaftlichem Engagement.“

Mahnendes Fazit: „Wir leben in einem der schönsten Landkreise unseres Landes, einem demokratischen Rechtsstaat mit Schutz für Minderheiten, wir sind nach wie vor in guter Verfassung und profitieren von bürgerschaftlichem Engagement. Versiegen die Quellen einer aktiven Bürger- oder Zivilgesellschaft, so ist dies der Anfang vom Ende unseres Privilegs. Es gilt dies durch aktives bürgerschaftliches Engagement, durch Leistungsbereitschaft zu verteidigen.“

Über den Träger des Saalburgpreises

Stefan Ruppert, geboren 1971 in Frankfurt am Main, hat Rechtswissenschaft, Politologie und Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main studiert und mit dem ersten und zweiten juristischen Staatsexamen abgeschlossen. Für seine am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (MPIeR) erarbeitete Dissertation zu „Kirchenrecht und Kulturkampf“ (promovierte er 2001) wurde er 2001 promoviert und mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIeR wurde er 2012 an der Goethe-Universität mit einer Arbeit über „Lebensalter und Recht“ habilitiert.

Als Wissenschaftler hat Dr. Ruppert nicht nur im Feld der allgemeinen Rechtsgeschichte, sondern auch im Bereich der für das Kreisgebiet einschlägigen Regional- und Landesgeschichte grundlegend wichtige Publikationen vorgelegt, etwa über die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau oder über die Neuordnung im Verhältnis von Kirche und Staat nach der preußischen Annexion des Taunus 1866.

Politisch war der Preisträger auf Stadt-, Kreis- und Bundesebene aktiv: Von 1993 bis 2011 war er Stadtverordneter in Oberursel, von 1995 bis 2013 Mitglied im Kreistag des Hochtaunuskreises und von 2009 bis 2013 sowie von 2017 bis 2020 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dabei hat er sich stets in besonderer Weise für Kunst, Kultur und Wissenschaft eingesetzt und das kulturelle Leben im Hochtaunuskreis in vielerlei Hinsicht maßgeblich mitgestaltet.

Nach der Gründung der Johann-Isaak-von Gerning-Stiftung – Stiftung für Kunst und Kultur im Hochtaunuskreis war er von 2009 bis 2016 deren erster Kuratoriumsvorsitzender und hat in dieser Funktion die konzeptionelle Entwicklung und Profilbildung der Stiftung entscheidend mitgeprägt. Von 2008 bis 2017 war Dr. Ruppert stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Kreisarchiv des Hochtaunuskreises e. V. und hat mit seiner Expertise und seinem Netzwerk in dieser Funktion wichtige Impulse gesetzt. Von 2008, also seit der Gründung der Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH, bis 2013 war er Mitglied in deren Kulturausschuss. Hier hat er stets die Interessen des Hochtaunuskreises vertreten und dabei die Entwicklung der Region im Ganzen nie aus dem Blick verloren. Außerdem ist er Verwaltungsratsvorsitzender der Werner Reimers Stiftung, die sich an ihrem Sitz in Bad Homburg der Wissenschaftsförderung widmet.

Beruflich ist Dr. Stefan Ruppert seit Dezember 2019 in der Wirtschaft tätig, genauer: Er ist Vorstandsmitglied bei B. Braun Melsungen und übernahm dort zum 1. April 2020 die Position des Arbeitsdirektors. Sein Bundestagsmandat legte er kurz darauf, am 27. April 2020, nieder.

Über den Preis

Der Saalburgpreis des Hochtaunuskreises wird seit 1992 verliehen, um herausragende Verdienste um die Geschichte und Heimatpflege im Taunus zu würdigen. 1995 wurde er durch einen Förderpreis ergänzt, mit dem besondere Einzel- und Nachwuchsleistungen ausgezeichnet werden. Die Preise sind nicht dotiert, über die Vergabe entscheidet der Kreisausschuss des Hochtaunuskreises, wobei alle Bürger:innen des Kreises vorschlagsberechtigt sind.