Johannes Martin Müller: „Villen und Landhäuser im Vordertaunus“

Die Kulturlandschaft Taunus aus dem Fokus des Historischen Geographen

Von Petra Pfeifer, 9. Februar 2022

Hochtaunuskreis. Wer von der Ferne seinen Blick über den vorderen Taunus schweifen lässt, wird selbstverständlich und völlig richtig feststellen, dass die Landschaft von Bergen, Wäldern und Feldern geprägt ist. Nähert sich der geneigte Betrachter der Region, die Alexander von Humboldt einst als das „schönste Mittelgebirge Deutschlands“ bezeichnete, so entdeckt er viele malerische Täler, lauschige Orte, die zum Verweilen einladen, und so manche pittoreske Stadtansicht.

Mit einem ganz anderen Fokus hat sich der Historische Geograph Johannes Martin Müller diesem Gebiet genähert. Er ist der Autor des Buches „Villen und Landhäuser im Vordertaunus – Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet“, der neuen Publikation, die der Hochtaunuskreis gemeinsam mit den Städten Königstein und Kronberg herausgegeben hat. Hierfür hat Johannes Martin Müller seine 2019 erstellte Masterarbeit im Fach Historische Geographie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg überarbeitet. Entstanden ist ein 320 Seiten starkes, mit über 100 Abbildungen reich illustriertes Buch, das ein Panorama der einzigartigen Villen- und Gartenlandschaft des Vordertaunus im Zeitalter des Wilhelminismus entfaltet.

„Zahlreiche großbürgerliche Villenbauten prägen das Gesicht des Vordertaunus maßgeblich“

Würdiger Ort der Buchpräsentation, an der Landrat Ulrich Krebs, Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm und Kronbergs Bürgermeister Christoph König teilnahmen, war die Villa Bonn, die seit 100 Jahren das Rathaus der Stadt Kronberg ist, jedoch noch immer das Antlitz einer herrschaftlichen Villa besitzt. „Die zahlreichen großbürgerlichen Villenbauten prägen das Gesicht des Vordertaunus bis heute ganz maßgeblich“, waren sich die drei Politiker einig. Bei der Begrüßung der Gäste und zur Einführung ins Thema griff der Hausherr zu dem Folianten „Auf zum Taunus. Unternehmungen zur Hebung des Verkehrs und Förderung der Besiedelung im südlichen Taunus“, der 1908 vom einstigen Landgrafen Ernst Ritter von Marx herausgegeben wurde: „Er vermerkt darin, dass Baugebiete von vier Hektar für gerade einmal vier Mark verkauft wurden.“ Außerdem las er eine Passage vor, aus der hervorgeht, dass zu dieser Zeit noch Werbung gemacht werden musste, damit Menschen nach Kronberg kamen.

Landrat Ulrich Krebs ergänzte: „Bevor die Hohenzollern hier tätig wurden, war er damit erfolgreich und das Frankfurter Bürgertum hat sich hier bereits etabliert.“ Doch der Zuzug des Adels habe wie ein Katalysator gewirkt, so dass immer mehr großbürgerliche Familien hier ihre Sommerresidenzen errichteten. Mit Blick auf Johannes Martin Müller meinte er: „Es ist der Verdienst des Autors, erstmals unsere Region als Villenlandschaft in den Blick zu nehmen und als Ganzes zu analysieren.“ Darüber hinaus freute er sich, dass dieses Buch pünktlich zum 50jährigen Bestehen des Hochtaunuskreises erschienen ist: „Dank ebenfalls an den Verlag, der das Projekt betreut und so schön umgesetzt hat – und auch an die Sponsoren.“ Wie das historische Werk von Ritter von Marx, so könnte auch diese aktuelle Publikation sich im Laufe der Zeit zu einer Rarität und einem Ehrengeschenk entwickeln.

„Ein großes und wichtiges Werk“

Über viele Villen „verfügt“ auch Bürgermeister Leonhard Helm: „Vieles hat mich beim ersten Durchblättern schon aufgehalten, es gibt nicht nur Aufzählungen, sondern auch Statistiken und kleine Randbemerkungen.“ So zum Beispiel dass es einst in Königstein lediglich acht Telefonanschlüsse gegeben habe: „Wer hatte die?“ Leonhard Helm ist sich sicher: „Wer dieses Buch liest, versteht viel vom Taunus. Es ist ein großes und wichtiges Werk geworden.“

Dr. Annette Nünnerich-Asmus, geschäftsführende Gesellschafterin, der Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH nutzte die Gelegenheit, ihr Unternehmen etwas genauer vorzustellen und meinte mit Blick auf den Firmensitz in Oppenheim am Rhein: „Unsere Region war 100 Jahre Bestandteil des Großherzogtums Hessen.“ Insofern gebe es noch weitere Bücher im Verlagssortiment, die sich mit Themen im Taunus befassen: „Diese Kultur bedarf und verdient Erhaltung!“ Anerkennende Worte auch von ihr an den Autor: „Es ist ein Band mit seltenem Archivmaterial und schon deswegen eine Rarität.“ Darüber hinaus sei er eine würdige Werbung für die Region.

Johannes Martin Müller gab anschließend einen Einblick in die Ideen, Gedanken und Thesen, die zu diesem Buch führten. „Die Villenlandschaft des Vordertaunus ist bis zum heutigen Tage noch nicht in Form einer wissenschaftlichen Monographie aufgearbeitet worden“, lautet eines seiner Alleinstellungsmerkmale. Darüber hinaus handele es sich um das fehlende Puzzleteil der Frankfurter Stadtgeschichte und erstmals werde die Freizeitkultur und das halböffentliche Leben auf den Villengrundstücken ins Blickfeld der Villenforschung gerückt: „Gerade die gesellschaftlichen Aktivitäten im Wohnumfeld werden bei den meisten Abhandlungen über Villenlandschaften in Deutschland ausgelassen oder zu Unrecht marginalisiert.“

Somit geht es in dem Buch nicht nur um Architektur und Landschaftsgestaltung, sondern auch um die soziologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Dimensionen des Taunus als „Freilichtmuseum der Belle Époque“. Fazit des Autors: „Nirgendwo sonst gewinnt man einen derart umfassenden Einblick in die ehemalige Lebenswelt der wilhelminischen Elite wie am Taunusrand.“

Um dies abzulichten, hat Johannes Martin Müller auf noch nie veröffentlichtes Quellenmaterial zurückgegriffen. Dazu gehören Kuriositäten wie die Brieftaubenfotos aus dem Nachlass (ab 1907) des Kronberger Apothekers Dr. Julius Neubronner, die sich heute im Historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums in Berlin befinden. Hierzu hatte dieser einst den Federtieren eigens für sie angefertigte Kameras um den Hals gehängt und sie dann unter anderem über Villengrundstücke fliegen lassen. Eine Betätigung, die offensichtlich so manche Taube ziemlich stolz machte, wie ein im Buch abgelichtetes Bild zeigt.

Auch noch nie gezeigte bauzeitliche Aufnahmen und Grundrisse, der Plan des über 50 Hektar umfassenden Hofstaats der Kaiserin Friedrich in Kronberg, die Fotografien des kaiserlichen Hofphotographen Hermann Rückwardt oder die Pläne der Gartenanlage des Offizierheim Taunus in Falkenstein (heute: Marriott Falkenstein Grand) gehörten zu den Quellen.

Schloss Friedrichshof spielt eine zentrale Rolle

Vier Jahre hat Johannes Martin Müller an der Darstellung des „Wohlstandsbalkons“ mit seinen „Millionärshügeln“ gearbeitet, um in einem Panorama die Bedingungen aufzufächern, die zur Entdeckung und Erschließung der Vordertaunus-Landschaft geführt haben. Zu diesen habe die Entwicklung der Kronberger Malerkolonie gehört, das Vorhandensein von Heilquellen als frühe Ansätze des Kurwesens und schließlich auch die nahe Lage zu Frankfurt, die erst die finanziellen Ressourcen zur Entstehung dieser einzigartigen Siedlungsstruktur hervorbrachten, bei dem Schloss Friedrichshof (heute: Kronberger Schlosshotel) eine zentrale Rolle spielte.

Auch der Autor hatte Grund zu danken: „Meine Forschungsarbeit und das daraus entstandene Buch wären nicht möglich gewesen ohne die großartige Unterstützung durch die Archive, Fachleute und schließlich auch Geldgeber aus dem Taunus. Vor allem das Kreisarchiv des Hochtaunuskreises und die Stadtarchive Königstein und Kronberg standen mir stets mit Rat und Tat zur Seite.“

Das Buch „Villen und Landhäuser im Vordertaunus“ ist im Nünnerich-Asmus-Verlag, Oppenheim am Rhein, erschienen und ist für 40 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-96176-176-0).