Leistungskurs Kunst der Humboldtschule hat sich mit „Gewalt an Frauen“ auseinandergesetzt

Inszenierte Fotografien sorgen für „brutales Kopfkino“

Von Petra Pfeifer, 23. November 2022

Bad Homburg. Alljährlich werden seit 1981 durch Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Terre des Femmes (TDF) zum 25. November weltweit Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt, bei denen es um die Einhaltung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen geht. Seit mehr als 20 Jahren gibt es an diesem Tag die TDF-Fahnenaktion in ganz Deutschland – und an vielen Orten wird die blaue Fahne „Frei leben ohne Gewalt“ gehisst.

Erstmals haben die Oberstufenschüler:innen der Humboldtschule das Thema im Kunstleistungskurs Q3 aufgegriffen und fotografisch umgesetzt. Dabei orientierten sie sich an dem Konzept der „Narrative Void“ des Künstlers Mac Adams und inszenierten Bildpaare, die jeweils den Anfang und das Ende einer Episode zeigen. Die erzählerische Lücke, das, was zwischen den beiden Aufnahmen geschehen ist, füllt der Betrachter mit seinem „Kopfkino“. Und es ist überaus spannend, was die Schüler:innen umgesetzt haben, regelrechte Krimis lassen sich allein anhand zwei zusammengehöriger Fotografien entdecken.

Zur Eröffnung der Ausstellung in den Räumen der Taunus-Sparkasse in der Louisenstraße 60 sind nicht allein Lehrer:innen und Schüler:innen der Schule gekommen, mit von der Partie sind auch Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor, Frauenbeauftragte Gaby Pilgrim, Gabriele Kremer, Leiterin des Fachbereichs I an der Humboldtschule, Dagmar Wacker, Leiterin des AWO Frauenhauses, und Cristina Mussenbrock, Verhinderungsvertreterin des Vorstands der Taunus-Sparkasse, sowie Dr. Eva Denk und Ulrike Ihlefeld vom Zonta Club Bad Homburg.

„Es gibt leider noch viel zu tun“

„Wir sind sehr stolz, dass wir das erste Mal zu diesem Thema mit Kunstlehrer Thomas Böhm kooperieren“, so Gaby Pilgrim in ihrer Begrüßung und hob die inspirierende und unkomplizierte Zusammenarbeit hervor. Lucia Lewalter-Schoor schloss sich ihrem Dank, der an alle Beteiligten ging, gleich anschließend an. „Der 25. November ist ein wichtiges Datum, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen“, betonte die Stadträtin. Sie erinnerte sich, dass sie selbst schon vor 40 Jahren für die Rechte der Frauen auf die Straße gegangen sei: „Damals hätte ich nicht gedacht, dass wir nach vier Jahrzehnten noch immer um diese Rechte kämpfen müssen.“ Zwar habe sich in diese Zeit schon viel Positives bewegt, doch es leider noch viel zu tun. Dabei blickte sie zum Beispiel in den Iran – „es ist wichtig, dass die ganze Welt darauf reagiert, was dort geschieht“ –, aber auch vor die „eigene Haustür“. Ganz im Sinne des diesjährigen TDF-Mottos „#TrautesHeimLeidAllein? – gemeinsam gegen häusliche Gewalt“.

Die Foto-Ausstellung wiederum habe sie gleichzeitig tief berührt und aufgerüttelt, aber auch erleichtert: „Dass sich junge Menschen so konzentriert und kreativ mit dem Thema auseinandersetzen, beruhigt ein wenig.“ Auch die Wirkung der Werke: „Darin kommt das ganze Elend von Gewalt gegen Frauen zum Tragen und dem Betrachter wird dringend implementiert, dass dagegen etwas getan werden muss, damit derartiges nicht in der Anonymität bleibt.“ Sie selbst sei viele Jahre als Sozialarbeiterin tätig gewesen und daher wisse sie, dass es Vielen schwer falle, aus der Opferrollen rauszukommen: „So etwas hinter sich zu lassen, ist nicht leicht und manche schaffen es nicht.“

Frauenrechte sind fragil

Cristina Mussenbrock fühlte sich daran erinnert, „wie fragil die Frauenrechte sind“. Die Gesellschaft befinde sich zwar auf einem guten Weg, doch es sei traurig, dass immer wieder daran erinnert werden müsse. Auch sie meinte hinsichtlich der Bilder: „Das Kopfkino ist brutal und hat mich stark berührt.“

„Die Abiturient:innen haben sich mit diese Ausstellung einem starken und wichtigen Thema angenähert“, so Studienrätin Gabriele Kremer. Sie betonte, dass die Humboldtschule als UNESCO-Projektschule in ihren Leitbildern wie auch im Schulalltag und der pädagogischen Arbeit die Ziele und Werte der UNESCO verankert habe und daher solche Projekte gerne unterstütze.

Zum Thema selbst äußerte sich Dagmar Wacker: „Wir erleben immer wieder, dass es sehr tabuisiert und ins Private gerückt wird.“ Doch Unterdrückung, Erniedrigung, Angst, Unsicherheit führten zu seelischem Leiden: „Daher ist es wichtig, dass jeder dieses Thema wahrnimmt. Zuschauer und Opfer sind gleichermaßen betroffen – und Schweigen bedeutet Zustimmung.“ Die Beratungsstellen seien somit ein Angebot für alle und es sei wichtig, dass es auch genutzt werde: „Wer von einer solchen Situation weiß, aber ratlos ist, kann hier Rat und Unterstützung finden.“ Immerhin: Pro Tag gebe es allein im Hochtaunuskreis einen Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt.

Der Gewalt ein Gesicht geben

Studienrat Thomas Böhm: „Mich hat das Thema als Kunstlehrer angesprochen, da in den Kunst-Leistungskursen meistens nur Frauen sind.“ Wenn er dann manchmal die Gesichter der Schülerinnen betrachte und sich frage, was später aus ihnen wird, dann schwirre immer wieder auch der Gedanke „jede dritte Frau wird Opfer häuslicher Gewalt“ durch den Kopf. Daher: „Wir wollten psychischer, emotionaler, körperlicher, sexueller Gewalt ein Gesicht geben.“ An die Schülerinnen und den einen Schüler des Kurses gewandt sagte Böhm: „Danke, dass ihr euch so mutig und vertrauensvoll dem Thema gestellt habt.“

Gerne erzählen die jungen Fotograf:innen, wie es zu ihren Werken gekommen ist. So berichtet Sophia Diehl über „Vermisst“, dass sie sich von einem Film hat inspirieren lassen. Ihr erstes Bild zeigt ein Auto und eine vorausfahrende Radfahrerin. Auf dem zweiten Bild liegt das Fahrrad am Straßenrand und ein Mann steht vor dem offenen Kofferraum. „Gleis 4“ stammt von Maxim Leheta und zeigt zwei Szenen im Bad Homburger Bahnhof: „Ich habe mir überlegt, welche Situationen für Frauen beängstigend sind.“ Das Ergebnis: „Wenn sie allein unterwegs sind.“ Von Jule Güldenberg wiederum stammt das Bild, das auch auf den Flyern zur Ausstellung zu sehen ist. Das „Unromantische Dinner“ hat sie zusammen mit ihrer besten Freundin und einem Freund zum Thema „häusliche Gewalt“ inszeniert.

Öffnungszeiten

Zu sehen sind die Fotografien bis zum 14. Dezember zu den Öffnungszeiten der Taunussparkasse, Louisenstraße 60 in Bad Homburg: Montag, Mittwoch und Freitag von 8.30 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 8.30 bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr.