50 Jahre Stadtrechte

Eine standhafte Kommune wird geehrt

Von Petra Pfeifer, 3. Oktober 2022

Steinbach. 50 Jahre Stadtrechte – das will gefeiert werden! Und dass sie sich darauf bestens verstehen, bewiesen die Steinbacher Bürger mit einer regelrechten Festwoche. Gleich acht Veranstaltungen standen auf dem Programm, um den runden Geburtstag würdig zu begehen. Los ging es zunächst am 18. September für die jüngsten Bürger mit dem Kinder-Musical „Der Zauberer von Oz – Mut wächst auf dem Weg“, dargebracht vom Gesangverein Frohsinn 1841. Wer sich für die historische Entwicklung der Stadt interessierte, war zwei Tage später beim Vortrag „Steinbacher Geschichte – Vom kleinen Nachkriegsdorf zur jungen Stadt der offenen Herzen“ vom Verein für Geschichte und Heimatkunde bestens aufgehoben.

Besonders feierlich her ging es dann beim Festabend „50 Jahre Stadt Steinbach (Taunus)“, zu dem der Magistrat eingeladen hatte und bei dem Vertreter der Politik, Vereine und Gewerbetreibenden, Bürgermeister benachbarter Kommunen, die Landkreisspitze mit Ulrich Krebs, Thorsten Schorr und Katrin Hechler sowie Elke Barth, Abgeordnete des Hessischen Landtags, sich zu einigen geselligen Stunden im Bürgerhaus einfanden.

Es war an Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Galinski, die Gäste zu begrüßen und dabei verriet er, dass Steinbach bereits am 4. September 789 urkundlich erwähnt wurde – und somit vier Jahre vor Frankfurt. Dabei hob er auch die Bedeutung von Städtepartnerschaften im Allgemeinen und für Steinbach im Speziellen hervor: „Sie sind ein wichtiges Signal der Völkerverständigung.“ Doch vor allem die Gewerbetreibenden und Vereine seien für und in Steinbach von besonders großer Bedeutung.

Landrat Ulrich Krebs hob einige beispielhafte Punkte hervor, die in der Entwicklung der Stadt Steinbach von Bedeutung waren und sind: „Mit der Namensgebung der Geschwister-Scholl-Schule haben wir uns dem Erbe für Freiheit und Demokratie verpflichtet.“ Mit ihr selbst sei ein guter Weg gefunden worden, die Betreuung umzusetzen: „Für eine junge Stadt braucht es auch Projekte für junge Familien.“ Als weiteres Projekt nannte er dann auch das Radwegekonzept, um gemeinsam unterwegs zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Auch Krebs lobte das rege Vereinsleben mit seiner ausgeprägten Kreativität: „Das ist überaus wichtig für Kommunen, die finanziell nicht so gesegnet sind.“ Sein Resümee: „Für Steinbach hat es sich gelohnt, selbständig zu sein.“ Er sei sicher, dass auch die kommenden 50 Jahre gute Jahre für die Stadt würden und sie – wie auch der Kreis – sich kraftvoll den Eroberungsbemühungen der Mainmetropole entgegentreten werde.

Insbesondere zur Überraschung der Programmplaner war auch Besuch aus Steinbachs Partnerstadt Steinbach-Hallenberg angereist, der anschließend die Bühne eroberte: Der Erste Beigeordnete Thorsten Hoffmann gratulierte und entschuldigte „seinen“ Bürgermeister Markus Böttcher aus gutem Grund: „Er heiratet morgen.“ Dafür wurde er von „Burgvogt“ Stephan Herwig begleitet, dem „eigentlichen Chef“. Launig plauderten die beiden aus ihrer Stadtgeschichte, berichteten unter anderem, dass Steinbach-Hallenberg 1619 eine hessische Enklave gewesen sei und schlussfolgerten: „Wir sind auch ahle Hesse!“ Und wie es sich für gute Geburtstagsgäste gehörte, hatten sie auch Geschenke in Form von gut gefüllten Wanderrucksäcken mitgebracht.

Einen etwas ausführlicheren Exkurs in die Gebietsreform der 1970er Jahre unternahm Johannes Heger, Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes: „Diese Geschichte ist zwar etwas trocken, aber spannend.“ Und: Ein Blick nach vorne geht meiner Meinung nach nur, wenn man sich die Vergangenheit vergegenwärtigt und auch den Blick in den Rückspiegel wagt.“ Aus 2642 eigenständigen Kommen seien am Ende des Prozesses 423 Städte und Gemeinden und 21 Landkreise geworden. Auf diese Weise sei die Verwaltungskraft der Kommunen bei steigenden Aufgaben und leistungsfähigere Einheiten geschaffen worden.

Bürgerentscheide habe es damals nicht gegeben, Die Ansage aus Wiesbaden klar gewesen: „Wenn es zu keinen freiwilligen Zusammenschlüssen kam, drohte ab dem 1. Juli 1974 eine zwangsweise Fusion. Es habe aber auch per Schlüsselzuweisungen finanzielle Anreize gegeben. Die überwiegende Zahl sei freiwillig, wenn auch nicht konfliktfrei verlaufen, wobei der Streit weniger auf Kreisebene entstand, sondern eher in den Städten und Gemeinden stattgefunden habe: „Hier wurden die Auswirkungen sichtbar und für viele Einwohner greifbar.“ Emotionale Aspekte wie die Zugehörigkeit zu Regionen und Landschaften seien unbeantwortet geblieben: „Streitigkeiten entbrannten an der Namensgebung für die neuen Kommunen und an Autokennzeichen.“ So habe der Landkreis Büdingen (Autokennzeichen BÜD) nunmehr zum Landkreis Wetterau mit dem Kreissitz in Friedberg (Autokennzeichen FB) gehört, was in der Bevölkerung zu dem Spruch geführt habe: „Was bedeutet FB? – Früher Büdingen.“

Die Stadt Steinbach wiederum sei ein gutes Beispiel für Städte und Gemeinden, die „sichtbar“ geblieben seien: Trotz Ansinnen aus Oberursel und Frankfurt habe sie sich wie das berühmte Dorf aus den Asterix-Bänden ihre Eigenständig bewahrt und mit knapp 10.000 Einwohnern 1972 sogar die Stadtrechte erlangt: „Es war eine Adelung der Stadtentwicklung und bestimmt auch ein Verdienst des damaligen Bürgermeisters Walter Herbst in politisch aufwühlenden Zeiten.“

Bürgermeister Steffen Bonk ging auf die wechselvolle Geschichte der Stadt ein. „Wir waren Falkensteiner, Kronberger, Königsteiner, Hanauer und lange Zeit Hessen – damit, dass wir auch mal Offenbacher waren, möchte ich mich gar nicht lange aufhalten“, lachte er. In all der Zeit sei Steinbach „nicht immer auf Rosen gebettet“ gewesen – trotz guter Luft und fruchtbarem Boden. Er selbst sei 1972 noch nicht hier gewesen, daher holte er sich mit Erstem Stadtrat Lars Knobloch und dem einstigen Vereinsringvorsitzenden Klaus Döge für den Rückblick Verstärkung auf die Bühne.

„Es hält sich das Gerücht, dass man einst Steinbacher an ihren Schuhen erkannt hat“, wandte sich Steffen Bonk an Klaus Döge, der dies schmunzelnd bestätigte: „1965 war der Schulweg noch Sumpf und Dreck, wenn ich meine heutige Frau in Oberhöchstadt besuchen wollte, ließ mich der Busfahrer mit meinen dreckigen Schuhen nicht rein.“ Lars Knobloch berichtete, dass seine Eltern mit ihm 1971 nach Steinbach gezogen seien, weil damals der erste Kindergarten der Stadt eröffnet wurde und seine Mutter hier eine Anstellung gefunden hatte. Und da Bürgermeister Herbst oft für pragmatische Lösungen gesorgt habe, sei der kleine Lars sozusagen im gleichen Zuge das erste U3-Kind der Stadt überhaupt geworden. Noch heute erinnert er sich gern an seine Kindheit: „Es waren viele junge Familien hier, es gab ein Schwimmbad, einen Fußballplatz, einen neuen Abenteuerspielplatz.“ Klaus Döge blickte auf die Anfänge des 1972 gegründeten Vereinsrings zurück, dessen Vorstand er 37 Jahre angehörte: „Das schönste waren immer die Partnerschaftsbegegnungen.“ Es folgten noch Anekdoten zu Walter Herbst und die Übereinstimmung: „Er war der Vater des modernen Steinbachs.“

Mit Blick auf die Gebietsreform und die Selbständigkeit Steinbachs stellte Steffen Bonk abschließend heraus: „Es ist ein Gütezeichen für die Schaffenskraft, Leistung und Erfolg Vieler, dass Frankfurt bis heute erfolgreich abgewehrt werden konnte.“ Und: „Die schönste Seite an Frankfurt ist der Blick nach Steinbach.“ Somit wolle er sich bei den Versammelten, bei den vielen Partnern für ihr soziales Engagement bedanken: „Ich verbeuge mich im Namen des Magistrats.“

Ein dicker Dank ging an diesem Abend auch an jene, die für ein gelungenes Rahmenprogramm sorgten. Denn in die Welt der Pop- und Rock-Musik der 1970er und 1980er Jahre entführten zwischendurch immer mal sehr stimmungsvoll Ellen Breitsprecher (Klavier), Beatrice Orth (Violine) und Basile Orth (Violoncello). Es erklang unter der Überschrift „Scandinavian Invasion“ ein Streifzug durch verschiedene ABBA-Hits, die „Bohemian Rhapsody“ von Queen und „Bridge over troubled Water“ von Simon & Garfunkel.

Für mehrere humoristische Auftritte war Walter Renneisen angereist, der augenzwinkernd und Sprachwitz die Welt der Dialekte erläuterte, beim Zungenbrecher „Des Wermsche“ zum mitrezitieren verleitete oder in die Natur der Hessen an sich eintauchte und die „nordatlantische Konsonantenverschiebung“ thematisierte, aufgrund derer sich die Amerikaner und insbesondere Elvis Presley sich hier immer so wohl gefühlt hätten.

Doch es gab für Steffen Bonk noch ein weiteres Dankeschön auszusprechen. Denn die hiesige sprichwörtliche Kreativität und Schaffenskraft herrscht offensichtlich auch im Steinbacher Rathaus: „Es sind drei Mitarbeiterinnen aus unserer kleinen Verwaltung mit relativ großer Arbeitsbelastung, die zur Ausgestaltung des Abends beigetragen haben.“