„Rheingau-Taunus-Resolution“

Alle Bürgermeister und der Landrat des Kreises fordern Ende der kommunalen Unterfinanzierung

Landrat Sandro Zehner (Mitte) und die 17 Bürgermeister des Rheingau-Taunus-Kreises präsentieren ihre Resolution. - Foto: RTK-Pressestelle

15. Mai 2024

Rheingau-Taunus-Kreis (ut). Die 17 Bürgermeister der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Rheingau-Taunus-Kreis haben gemeinsam mit Landrat Sandro Zehner die „Rheingau-Taunus-Resolution“ unterzeichnet und so ein Zeichen gegen die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Ebene gesetzt. Die Resolution wird jetzt an die hessische Landesregierung, das hessische Innenministerium sowie die Bundesregierung gesendet.

In der Resolution fordern die Bürgermeister und der Landrat, dass Bund und Land in Zukunft nicht mehr nur Aufgaben in Gesetzen festlegen, sondern auch klar benennen, woher die nötigen Mittel kommen und diese zur Verfügung zu stellen.

Zur Unterzeichnung der Resolution haben sich die 17 Bürgermeister der kreisangehörigen Städte und Gemeinden dort mit dem Landrat zusammengefunden, wo Rheingau und Taunus sich geografisch treffen: auf der Mapper Schanze in Schlangenbad. Der Ort betont symbolisch, den Zusammenhalt in der Region und untermauert das gemeinsame Ziel der kommunalen Ebene im Landkreis, für die Menschen den Rheingau-Taunus-Kreis als lebenswerte Region zu gestalten.

„Für die Bürgerinnen und Bürger sind wir Städte, Gemeinden und Landkreise der erste Ansprechpartner auf der staatlichen Ebene. Im Rathaus, in der Führerscheinstelle des Kreises, beim Busverkehr oder in den Kitas und Schulen erleben sie ihren Staat“, sagt Landrat Sandro Zehner. „Die uns auferlegten Pflichtaufgaben, immer neue Vorgaben und höhere Standards sorgen aber dafür, dass wir gar nicht in dem Maß für die Menschen da sein können, wie es nötig wäre. Wir verkommen zum Abwickler des Bundes, ohne echte Selbstverwaltungsspielräume. Wenn wir in der Hauptsache damit beschäftigt sind, uns auferlegte Aufgaben des Bundes oder Landes zu erfüllen, ohne dafür ausreichend finanziell ausgestattet zu werden, fehlt vor Ort das Geld zur Gestaltung, wie beispielsweise für die Entwicklung des Tourismus, die Förderung des Ehrenamtes oder des Breitensports, für Integration oder Investitionen in Straßen- und Schulsanierung, den Ausbau der Digitalisierung oder effektive Wirtschaftsförderung – kurz: für die Gestaltung des Lebens hier vor Ort. Das erwarten die Menschen zu Recht von uns, das ist unser Job!“

Die Probleme der strukturellen Unterfinanzierung zeigen sich in den folgenden Bereichen und sind Bestandteil der heute gemeinsam verabschiedeten Resolution:

  • Städte, Gemeinden und Landkreise müssen immer mehr Standards aus Landes- und Bundesgesetzen vor Ort sicherstellen. Beispielsweise das Recht auf den kostenlosen Kitaplatz, das Recht auf Ganztagsschule, die Ausweitung des Wohngeldes sowie das 49 Euro Ticket. Allen gemein ist: Keines der gesetzlich im Bund oder durch die Länder festgesetzten Ziele hat eine auskömmliche Ausfinanzierung durch die oberen Staatsebenen.
  • In der Kreisverwaltung des Rheingau-Taunus-Kreises beträgt die strukturelle Unterfinanzierung durch Bund und Land mittlerweile annähernd 100 Millionen Euro – über 20 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens. Rund 14,7 Millionen Euro sind allein die Unterdeckung im Bereich der Migration. 
  • Die Kommunen werden vor allem durch die Kosten der Kinderbetreuung belastet. Wo früher die Finanzierung Eltern, Land und Kommunen zu gleichen Teilen sichergestellt wurde, müssen die Städte und Gemeinden nun mehr als 75 Prozent der Kosten tragen, nachdem das Land Hessen die Eltern für den sechs-Stunden-Platz kostenfrei stellte. Hohe Tarifabschlüsse und gestiegene Kosten des Betriebs der Einrichtungen vergrößern die Unterdeckung jährlich, da der Landesanteil seit Jahren unverändert ist.
  • Der bundesweit beschlossene Ganztagsanspruch im Schulbereich ab 2026 bedeutet für die 17 Kommunen und den Rheingau-Taunus-Kreis Investitionskosten von rund 57 Millionen Euro. Der Bund gibt dafür 6,5 Millionen Euro Investitionszuschuss. Der laufende Betrieb als jährlich wiederkehrende und damit festgeschriebene Dauerbelastung hat bislang keinerlei Gegenfinanzierung der Gesetzgeber. Da der Rechtsanspruch im SGB VIII definiert wurde, sind kreisangehörige Kommunen und Landkreise als Schulträger gleichsam in der Pflicht. 

Landrat Sandro Zehner verdeutlicht die Dringlichkeit von Reformen: „Wenn Bund und Länder uns hier weiterhin allein lassen, müssen wir uns auf der kommunalen Ebene buchstäblich kaputtsparen und die Kommunen müssen die Grund- und Gewerbesteuer immer höher schrauben, für Ausgaben, auf die wir gar keinen Einfluss haben. Das vermindert unsere Leistungsfähigkeit und sorgt für sinkendes Vertrauen in den Staat als Ganzes – und das gefährdet unsere Demokratie. Deshalb fordern wir gemeinsam, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht zur Farce werden darf. Der Gesetzgeber muss jetzt handeln und die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen beheben!“

Das Problem sei kein spezielles des Landkreises: Ein einziger Landkreis in Hessen weist für den Haushalt 2024 kein Defizit aus – und auch der nur wegen eines Sondereffekts.

Die gemeinsamen Forderungen der 17 Bürgermeister und des Landrats lauten daher:

  • eine Neuordnung der Verteilsystematik von Steuergeldern. Beispielsweise: Höhere Anteile von Landkreisen und Kommunen an der Umsatzsteuer.
  • die Aussetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder bis zu einer Klärung der Finanzierung von Investitionskosten und dauerhaften Betriebskosten.
  • Standards werden nicht mehr ausgeweitet, ohne vollständige Kostenübernahme durch den Gesetzgeber.
  • Die kommunale Ebene muss von Beginn an in Gesetzesvorhaben auf Bund-Länder-Ebene so mitgedacht werden, dass auch in Bundesgesetzen die finanzielle Auswirkung auf die Kommunalebene transparent dargestellt wird („kommunale Ressourcenfolgebetrachtung“) und im Gesetz eine konkrete Gegenfinanzierung dieser Aufwände enthalten sein muss (faktische Konnexität für Bundesgesetze).
  • Wer bestellt bezahlt.