Kreis hat bisher 1.406 Ukrainer:innen aufgenommen

Landrat Frank Kilian stellt die Arbeit der „Fachstelle Ukraine“ vor

10. April 2022

Rheingau-Taunus-Kreis (ut). Am 24. Februar 2022 überfielen auf Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin die Truppen seines Landes den souveränen Nachbarstaat, die Ukraine. Damit hat Russland einen Angriffskrieg in Europa begonnen und das Völkerrecht gebrochen. Viele Ukrainer:innen sind seither in ihren Städten eingekesselt und flohen in Keller oder U-Bahnschächte, kämpfen ums Überleben. Andere befinden sich auf der Flucht vor den Gräueltaten und Massakern der russischen Soldaten. „Bereits wenige Tage nach dem Überfall reagierte der Rheingau-Taunus-Kreis auf die Ereignisse in Osteuropa und etablierte neben dem bestehenden Corona- auch einen Ukraine-Krisenstab“, betont Landrat Frank Kilian. Als sich der Umfang der Fluchtbewegung abzeichnete, reagierte die Kreisverwaltung am 8. März – wiederum rasch und vorausschauend – mit der Einrichtung der „Fachstelle Ukraine“, um angemessen vorbereitet zu sein. Für den Krisenstab habe laut Landrat Kilian sofort festgestanden: „Wir sind bereit Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bei uns aufzunehmen!“

Die Fachstelle dient als erste Anlaufstelle für Ukrainer, die aus ihrer Heimat vor der Invasion flüchten mussten und nun im Rheingau-Taunus-Kreis Schutz suchen. Sie soll die Infrastruktur zur Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten schaffen, sowie rasch und zielgerichtet die neu hinzukommenden, sehr komplexen Aufgaben bewältigen. Die ersten Hilfsmaßnahmen für die in den Kreis Geflüchteten koordiniert somit die Fachstelle in der Tannenwaldklinik, Martha-von-Opel-Weg 31, in Bad Schwalbach.

Vier Wochen nach der Einrichtung der „Fachstelle Ukraine“, die dem Fachdienst Flüchtlingsdienst/Migration zugeordnet ist, stellt der Landrat die Arbeitsabläufe vor. „Wir haben hier in den Räumen der einstigen Tannenwaldklinik sowie in den Außenstellen in Rüdesheim am Rhein und Idstein – um möglichst kurze Anfahrtswege zu bieten – unsere Kräfte gebündelt, damit wir als Verwaltung leistungs- und funktionsfähig sein können“, berichtet Kilian. Um die Tätigkeit der Fachdienste Flüchtlingsdienst/Migration sowie der Ausländerbehörde in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern zu unterstützen, wurden zudem 40 Mitarbeitende aus anderen Fachdiensten der Kreisverwaltung abgeordnet.

Der Landrat: „Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meistern zeitgleich dazu noch die Corona-Krise. Der Virus grassiert immer noch, sodass auch wir zahlreiche Krankheitsfälle zu registrieren haben. Gleichzeitig sehen wir uns neuen, umfangreichen Herausforderungen gegenübergestellt, die wir aber auch annehmen, um sie erfolgreich zu bewältigen.“ Frank Kilian sieht nach zwei Jahren Pandemie jedoch auch viele Mitarbeitende der Kreisverwaltung – wegen ihres Arbeitseinsatzes – „auf dem Zahnfleisch gehen.“ Die Beanspruchung ist hoch.

Doch gleichzeitig gibt das Kriegsgeschehen in der Ukraine viel Ansporn, den Geflüchteten zu helfen. Stand 7. April sind im Rheingau-Taunus-Kreis 1.406 Menschen aus der Ukraine registriert, so die Zahl der Fachstelle. Bei dieser aufgenommen erhalten die Kriegsvertriebenen einen Scheck aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes, um damit zum Beispiel Lebensmittel zu kaufen, einen Krankenschein, um die medizinische Versorgung sicherzustellen, und eine Aufenthaltsbescheinigung, mit der sich die Ukrainer:innen eine Arbeitsstelle suchen können.

Beim Ausfüllen der Formulare stehen den Geflüchteten zwei Übersetzerinnen zur Seite, die russisch sprechen. „Wer zu uns kommt, hat sich in den meisten Fällen schon zuvor über die Homepage des Kreises informiert. Dort sind Unterlagen in ukrainischer Sprache zu finden“, erzählt Maria Alisch, Leiterin des Fachdienstes Flüchtlingsdienst/Migration. Thomas Pfisterer von der Ausländerbehörde ergänzt: „Das Sprachproblem wird oft überschätzt.“ Die Verständigung laufe „oft mittels Händen und Füßen; das klappt schon“. Wer keinen biometrischen Ausweis vorweisen kann, der wird zudem erkennungsdienstlich erfasst, so Pfisterer. Das geschieht wiederum im Kreishaus in der Heimbacher Straße in Bad Schwalbach.

Zugleich sucht die Kreisverwaltung – aber auch die 17 Kommunen des Kreises – intensiv nach Immobilien, in die die Geflüchteten untergebracht werden können. „Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist riesig“, betont die für die Wohnungsvermittlung zuständige Mitarbeiterin. Über die eingerichtete Wohnungsbörse hat sie 213 Angebote von privater Seite in den vergangenen Wochen erfasst, wobei „die Liste noch nicht vollzählig ist“.

„Jeden Tag kommen weitere Hinweise auf Zimmer, Wohnungen, ganze Häuser und auch größere Einheiten hinzu“, berichtet sie und weiter: „Exakt 40 Prozent der erfassten Angebote konnten wir schon vermitteln.“ Solche Immobilien werden auch weiterhin dringend benötigt, soll doch die Zuweisungsquote insgesamt steigen. „Nach dem derzeitigen Stand (1.406 Personen per 7. April 2022) hat der Kreis gemessen an seiner Einwohnerzahl mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, wie Deutschland mit knapp 300.000“, rechnet Kilian vor.

Zugleich erinnert der Landrat aber auch daran, dass sich alle Flüchtlinge – auch jene, die bei Verwandten oder Bekannten in den vergangenen Wochen privat untergekommen sind – registrieren lassen müssen, um die genannten Sozialleistungen zu erhalten. Wer nicht registriert ist, taucht auch in keiner Statistik auf.

Derzeit werden die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vom Kreis in der Sammelunterkunft im Hotel Schloss Reinhartshausen in Eltville-Erbach einquartiert. Dort stehen Räumlichkeiten für bis zu 230 Menschen bereit. Die Sporthalle an der Rheingauschule in Geisenheim ist bezugsfertig, befindet sich aber im „Stand-by-Modus“. Der Kreisausschuss hat in seiner Sitzung am Montag zudem der Anmietung des Hotels Kaiserhof in Bad Schwalbach für fünf Jahre beschlossen. Ab dem 15. April stehen dort 58 Plätze zur Verfügung. „Wir befinden uns in Gesprächen mit weiteren Anbietern“, erläutert Maria Alisch.