12. Oberurseler Feyerey verzeichnet Besucherrekord

Wo Henker Heiterkeit verbreiten

Von Petra Pfeifer, 18. August 2022

Oberursel. Zwei Jahre war der Ursellis Historica Mittelalterverein wegen der Pestilenz gezwungen, auf die Feyerey zu verzichten. Nun hatte das Warten ein glückliches Ende: Mit 14.000 Besuchern konnte ein neuer Besucherrekord erzielt werden. 

Gar nicht abreißen wollte der Besucherstrom, der sich aufgemacht hatte, Gaukler, Händler, Ritter, Falkner oder auch Henker auf den Wiesen am Bachpfädchen unter dem Motto „Der Plage zum Trotze“ die Ehre zu erweisen. Überwiegend erscheinen sie obendrein gewandet, so dass sich die Atmosphäre nicht allein durch Lautenklänge für die Ohren und den Geruch brennenden Holzes für die Nase, sondern auch optisch sehr gelungen gestaltet. Die aufgebauten Zelte des Lagers, in denen die Aktiven über das Wochenende wohnen, tun ihr übriges hierzu.

Wie in den Jahren zuvor herrscht auch bei dieser 12. Feyerey eine überaus harmonische und familiäre Stimmung. Es wird gefeilscht und gelacht, Narreteien ausgeheckt und Leckeres genossen. Zu lernen, gibt es einiges überdies. Zum Beispiel bei am Stand der Filzerey von Alexandra Hess. Sie bietet nicht allein gefilzte Figuren an, sondern darüber hinaus nadelgebundene Stulpen und Mützen an. „Nadelgebundenes war vor der Erfindung des Häkelns“, berichtet die Friedbergerin, zeigt gleich mal wie es geht und gibt zu: „Der Anfang ist etwas schwierig.“ Auch das Brettchenweben am Stand nebenan, dass ihre Mutter pflegt, sei nicht ganz einfach.

Zwischendurch schallt immer mal der Ruf eines Hornstoßes über das Gelände. Verursacher ist Magnus vom Tale Herzog zu Katharienburg Freiherr zu Ulfa, der zusammen mit seiner Gattin Johanna vom Tale etcpp. aus Ulfa bei Nidda angereist ist und auf diese Weise seine Sippschaft immer wieder zusammenruft. Gerne plaudert er ein wenig aus dem Nähkästchen: „Früher habe ich mich als Hauptmann verdingt, doch da mein Onkel kinderlos verstarb, erbte ich seine Titel und Ländereien.“

Gut besucht ist auch das Zelt von Walburga, die es meisterhaft versteht, ihre Zuhörerschar in die Welt der Märchen zu entführen. Auf der Bühne stehen hin und wieder Spielleute. „Fisimatenten“ sind es, die das Volk mit altertümlichen Klängen auf Trommel und Sackpfeife wiederum zum Tanz zu verführen. So auch die „Renards“, die sich bestens auf das Lautenspiel verstehen.

Viel Aufmerksamkeit erntet Bechermacher Stefan ebenfalls, wenn er an seiner Töpferscheibe Platz nimmt und erklärt, wie sein Handwerk funktioniert. Schräg gegenüber hat Brian aus Oberursel seinen Stand. Er ist zum ersten Mal einer der Marketender, bietet Speis‘ und Bier aus eigener Manufaktur und lacht angesichts des fröhlichen Treibens: „Das ist ein ganz besonderes Fest mit einer wunderbaren Stimmung.“

Während erfahrene Kämpen sich „Knappen“ aus ihren Gästen erwählen, denen sie die ein oder andere Technik am Schwert erläutern, oder gar sich untereinander ein kleines Scharmützel liefern, lehnt sich Thomas Graf von Strzemieczny in seinem schattigen Zelt auf einem prächtigen Lehnstuhl sitzend zurück. Eigentlich macht der Falkner gerade etwas Pause von den vielen Bewunderern seiner herrlichen Greifvögel, doch die Chronistin von „Unser Taunus“ bittet er gerne herein, um mit ihr ein wenig zu plaudern.

Zur Feyerey ist er mit zwei Uhus, einem Wüstenbussard und einem Rotmilan gekommen und stellt sie erst einmal vor: „Der Sibirische Uhu trägt den Namen Ronja und der Europäische wurde nach meiner Nachbarin Irene benannt, Sarah wird der Rotmilan gerufen und Paul der Bussard.“ Und dann gibt er Wissen über das Jagdverhalten der Vögel preis, zum Beispiel dass der Uhu bis Rehgröße alles reißen kann, die Beutetiere des Bussards bis zu fünf Kilogramm wiegen können, darunter Hasen und alles, was fliegt. Der Rotmilan wiederum diene eher dekorativen Zwecken. Allen gemeinsam ist es, dass sie vom Wesen her sehr ruhig sind, solange sie nicht zur Jagd gehen. Wenn das der Fall sei, so der Falkner, könne er die unterschiedliche Jagdtechnik von Uhu und Bussard beobachten: „Der Wüstenbussard setzt auf seine Schnelligkeit, der Uhu muss wegen seiner Größe eher taktisch jagen.“ Und dann noch etwas: Manchmal arbeite er mit traumatisierten Soldaten oder Kindern mit ADHS: „Die Vögel helfen ihnen, ohne es zu wissen.“ Sie lösten Blockaden, die Menschen seien beim Zusammensein mit den Tieren so von ihnen gefesselt, dass sie innerlich entspannen könnten. Warum aber hat er nur weibliche Vögel? „Mädchen sind größer und aggressiver“, sagt sein Gehilfe. Die männlichen Tiere, „Terzel“ genannt, sind dementsprechend um ein Drittel kleiner.

Es war eine angenehme Plauderei, doch die Chronistin ist ja gekommen, um von weiterem Geschehen bei der Feyerey zu berichten. Also gilt es, dem Henker einen Besuch abzustatten, der seine Wasserguillotine errichtet hat. Da steht er nun, an seiner Seite Moritz aus Johannisberg im weißen Büßerhemd. Er wurde von Lotte und Anna denunziert, seiner Mutter und seiner Schwester.

Ein „Oh!“ geht durch das Volk, als es vernimmt, dass der junge Moritz am gestrigen Abend das erste Mal aus gewesen ist und erst in der Nacht um zwei Uhr nach Hause kam. Ein „Buh!“ entfährt der Menge, als sie zu hören bekommt, dass er seinen Schlüssel vergessen hatte und seinen Vater – den „alten Mann“ – mit heftigem Trommeln an der Haustür weckte. „Wie wollen wir ihn von der Last des Sünders befreien?“, möchte Henker Ludwig der Enterbte wissen. Brutal oder eklig stehen zur Auswahl – sadistisch kommt auch noch zur Sprache. Es kommt jedoch, wie es kommen musste. Die Wasserguillotine kommt zum Einsatz und nachdem das Ziehen an der richtigen Schnur von vielen zu deren Auslösung geführt hat, geht Moritz zur Schadenfreude des Volkes prompt baden – und genießt die Erfrischung angesichts der sommerlichen Temperaturen.

Gar nicht baden gegangen ist auf jeden Fall die Stimmung beim Fest. Nicht mal zwischendurch ein wenig: „Es war wieder sehr friedlich und wenn doch mal etwas Ärger aufkeimte, sorgte allein das Auftreten unseres zwei Meter großen Wikingers sofort für Ruhe“, so Achim, Schatzmeister bei Ursellis Historica.

Übrigens reißt die Folge der Mittelalterfeste nicht so schnell ab. Vom 26. bis 28. August wird das „Spektakulum“ im Braunfelser Kurpark begangen. Die Mittelaltermärkte in Deutschland im Überblick gibt es hier: https://www.marktkalendarium.de/maerkte2022.php