Roter Regent mit dem Konterfei der Kaiserin

Weinberg-Team des Altstadtkreises übergibt den Zehnt für 2022

Jürgen Bender (li.) und Tasso Lehr (re.) vom Weinberg-Team des Altstadtkreises überbrachten Kronbergs Bürgermeister Christoph König (Mitte) den Zehnten vom „Roten Regenten“ 2022. - Foto: Stadt Kronberg

22. April 2024

Kronberg (ut). Außen die blaublütige Kaiserin, drinnen ein 13prozentiger „Roter Regent“ – klingt nach einem ziemlich royalen Tröpfchen, das das Weinberg-Team des Kronberger Altstadtkreises vor zwei Jahren am Fuße der Villa Bonn gelesen und jetzt auf 250 Flaschen gezogen hat. Das ist eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass auf dem 109 Quadratmeter kleinen Rathaus-Wingert gerade einmal 59 Weinstöcke stehen. Doch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ kann sich der Jahrgang 2022 sehen und vor allem schmecken lassen. „Das ist QbA-Standard, ein guter Jahrgang“, unterstreicht Jürgen Bender bei einer Stippvisite im Amtszimmer von Bürgermeister Christoph König. Bender hat sich gemeinsam mit Tasso Lehr beim Kronberger Rathauschef angekündigt, um pflicht- und traditionsgemäß den „Zehnten“ der Ernte zu entrichten.

Der Jahrgang 2022 mit Kaiserin Victoria auf dem Etikett befindet sich geschmacklich wie optisch in der guten Gesellschaft der vorangegangenen „Regenten“. – Foto: Stadt Kronberg

Wurde die Abgabe der Naturalsteuer an den Landesherren im Mittelalter nicht selten vom unüberhörbaren Zähneknirschen der Erzeuger begleitet, so ist die Stimmung im Rathaus an diesem Tag doch eine ganz andere. Lehr und Bender sind zurecht stolz auf das, was sie im Gepäck haben. Schließlich haben sie es mit ihrer eigenen Hände Arbeit und der Unterstützung weiterer Mitglieder des Altstadtkreises herangezogen.

„Neben Jürgen Bender und mir ist da vor allem noch Michael Hahn, der zum harten Kern unseres kleinen Teams gehört. Dazu kommen Wolfgang Haas, der den Weinbau im Rathausgarten vor über 20 Jahren initiiert hat, oder auch Janine Weise und Gert-Jürgen Schmidts, die mit anpacken“, erklärt Tasso Lehr. Er selbst ist seit 2010 beim Kronberger Altstadtkreis (ALA) dabei, und da er zudem im heimischen Obst- und Gartenbauverein (OGV) aktiv ist, bot es sich geradezu an, dass er seine beiden grünen Daumen samt der verbleibenden Finger in den Dienst der AG Weinberg stellte. Hier setzt er mit seinen Mitstreitern das fort, was nicht zuletzt Manfred Bremen, der langjährige Kopf der Arbeitsgemeinschaft, vorangetrieben hat. 

Angelegt wurde der Weinberg im Rathausgarten im Jahr 2000. Eine erste Lese fand zwei Jahre später statt und ergab gerade mal einen Liter Wein, der in einer Flasche Platz fand. Mit den Jahren erhöhte sich dann die Ausbeute wie auch das Geschmackserlebnis. Denn Letzteres war gerade in den Anfangstagen doch noch recht überschaubar. „Das ist bei jungen Weinstöcken nun mal so, die brauchen ihre Zeit“, weiß Jürgen Bender. Seit 2018 jedoch sei der „Rote Regent“ aus Kronberg doch von durchweg guter Qualität.

Es ist der Lohn der Arbeit, die die Hobby-Winzer aus der Burgstadt von März bis September in ihren Wingert stecken. Vom Schneiden der Reben über das Entwickeln der Ruten und das Lenken und Kürzen der Triebe bis hin zur Lese machen sie alles selbst. Das dafür erforderliche Wissen haben sie sich über die Jahre selbst angeeignet und verfeinert. Unterstützt wurden und werden sie dabei von einem ausgewiesenen Experten.  Helmut Schmitt, Winzer aus der mit Kronberg seit fünf Jahrzehnten eng befreundeten Weinbau-Gemeinde Guldental, steht den Kollegen aus dem Taunus nicht nur gerne mit Rat zur Seite, sondern baut in seinen Kellern an der Nahe auch die Kronberger Trauben zum Rebensaft aus. Lehr: „In den Fässern dort reift derzeit gerade noch unser Jahrgang 2023“

Ein edles Motiv für einen edlen Tropfen. – Foto: Stadt Kronberg

Was den roten Regenten `22 angeht, so wird der Zehnt in Form von 64 Flaschen in den Kellern des Rathauses eingelagert. Für ganz besondere Anlässe, wie Bürgermeister Christoph König bei der Übergabe betont. Verbunden mit dem Dank der Stadt an die fleißigen Winzer verweist der Rathauschef darauf, dass man das in seiner Form einzigartige Tröpfchen aus der Burgstadt gerne als Präsent überreiche. Und das nicht nur ob des Inhalts, sondern auch wegen der optischen Anmutung. Die Etiketten sind schließlich ebenfalls Unikate. Waren es in früheren Jahren schon mal Bilder von heimischen Kindergartenkindern oder Arbeiten des 2022 verstorbenen Künstlers Georgi Takev, so ziert den aktuellen Jahrgang zum zweiten Mal in Folge das Motiv eines Scherenschnitts vom Kronberger Laternenweg. Darauf zu sehen: Kaiserin Victoria vor der Kronberger Burg – royaler geht es kaum.

Wer wissen möchte, wie der „Rote Regent“ 2022 schmeckt, hat dazu am 18. Mai Gelegenheit. Zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Freundschaft mit Guldental werden an diesem Nachmittag am Kronberger Rathaus Probiergläschen mit dem aktuellen Jahrgang gefüllt.

Hintergrund

Der Gedanke, Wein in Kronberg anzubauen, ist kein neuer. Der Altstadtkreis hat viel mehr im Jahr 2000 eine Tradition wiederbelebt, die über Jahrhunderte zurückreicht. Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es in der Stadt sogar einen „Nacht-Traubenhüter“.

Der Rebensaft aus der Burgstadt dürfte jedoch ein eher herbes Tröpfchen gewesen sein. So beschwerte sich der evangelische Pfarrer Johann Gereum im 17. Jahrhundert bei seinem Kronberger Dienstherrn Hartmut XVIII darüber, dass sein „Besoldungswein“ doch sehr „scharpf“, also sauer gewesen sei.

Den letzten Kronberger Weinberg bewirtschaftete zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch Friedrich Nicolaus Krieger, der Wirt des Gasthauses „Zum Neuen Bau“, darauf weist der Altstadtkreis in seiner Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Vereins hin. Krieger jedoch verkaufte seinen Wingert am Philosophenweg 1907 an die Familie Meister, die das Gelände nutzte, um ihr Villenanwesen zu erweitern.

An die Geschichte des Weinbaus in Kronberg erinnert bis heute das Gasthaus „Zum Weinberg“ in der Steinstraße. Hier befindet sich auch eine Vitrine, in der von jedem Jahrgang des „Roten Regenten“ eine Flasche ihren Ehrenplatz findet. Übrigens: Der Name „Roter Regent“ weist nicht auf die Parteibücher Kronberger Rathauschefs hin, sondern ist schlicht die Bezeichnung der Traubenart.