Nachwuchs bei den Netzgiraffen im Opel-Zoo

Ein Sonnenschein stürzt sich ins Leben

20. März 2025

Kronberg (pit/ut). Montag, 10. März 2025, 4.22 Uhr: Ein Baby stürzt bei seiner Geburt aus zwei Metern Höhe auf die Erde und – lebt. Klar, das kann wohl kaum ein Menschenkind sein. Es ist der glückliche Moment, in dem seit über 30 Jahren wieder ein Netzgiraffenkalb im Opel-Zoo das Licht der Welt erblickt oder eher ganz viel Stroh und weitere Einstreu, welche seine Pfleger vorsorglich in dessen Erwartung in der geräumigen „Kreißsaal-Box“ verteilt hatten, um den unvermeidlichen Sturz des Neugeborenen abzudämpfen.

Und dabei dauerte die Vorfreude auf die bevorstehende Geburt Giraffenkalbs gar nicht allzu lange – trotz der Tragezeit von 15 Monaten. „Um ehrlich zu sein, haben wir die Schwangerschaft von Mutter Kimia erst in den letzten Monaten des vergangenen Jahres festgestellt“, schmunzelt Jörg Jebram, wissenschaftlicher Kurator im Opel-Zoo und Koordinator des Europäischen Ex-Situ-Programms (EEP) für die Giraffe.

Giraffen gehören zu den in ihrem Bestand bedrohten Tierarten, deren Zucht in Zoologischen Gärten in so genannten Ex-Situ Programmen (EEP‘s) koordiniert wird. Zuchtbuchführer des EEP‘s für Giraffen ist Jörg Jebram, Kurator im Opel-Zoo. Auf wissenschaftlicher Basis empfiehlt er, welche Individuen in welchem europäischen Zoo gehalten werden und welche für weiteren Nachwuchs sorgen sollten.

Denn auch wenn eine Kamera die genaue Geburtszeit des Giraffenmädchens, dem die Tierpfleger den wohlklingenden afrikanischen Namen Kianga (Sonnenschein) gegeben haben, festgehalten hat, der Deckakt blieb unbeobachtet. Doch gemäß des Geburtstermins steht fest, dass es schon innerhalb der ersten zwei Monate nach Kimias Ankunft (Oktober 2023) zwischen ihr und Zuchtbullen Timon gefunkt haben muss. „Bei Giraffen geht man von einer Tragzeit von 420 bis 468 Tagen aus, also im Durchschnitt 457 Tagen“, erläutert der Diplom-Biologe. Demzufolge muss die Zeugung von Kianga zwischen Ende November 2023 und Mitte Januar 2024 stattgefunden haben.

Als ihr Bauch sich immer mehr rundete und ein Heubauch auszuschließen war, seien schließlich Hormontests per Kotproben durchgeführt worden, die die Hoffnung auf eine Schwangerschaft festigten. Als der Geburtstermin immer näher rückte, sei jedoch keine Nachtwache eingerichtet worden: „Es sind immer noch Wildtiere, denen man durch beruhigende Worte keinerlei Hilfestellung geben kann.“ Daher war Kimia auf sich allein gestellt, mit der dicken Einstreu jedoch Vorsorge getroffen worden. Denn eine Giraffe bringt ihr Kalb stehend zur Welt, von diesem lassen sich zuerst die Vorderbeine sehen, es folgt der Kopf – damit ist die Hauptsache für die Giraffenkuh geschafft – und dann plumpst es im freien Fall auf die Erde, wobei die Nabelschnur reißt.

Und wie macht sich die junge Mutter? „Die ersten acht Tage sehen super aus, wobei der Milchfluss erst zögerlich begann. Doch das ist bei einer Erstgebärenden normal“, versichert Jörg Jebram. Der Umgang von Mutter und Tochter ist sichtlich zärtlich, auch wenn sie nicht so sehr aneinander „kleben“, wie es zum Beispiel bei Pferdestute und ihrem Fohlen ist. „In der freien Wildbahn liegt das Giraffenkalb tagsüber häufig gut versteckt im Gebüsch, während die Mutter futtern geht, um genügend Milch zu produzieren“, so Jebram. In den Abend- und Nachtstunden kann das Kalb dann ausgiebig trinken.

Amüsant sei die erste Begegnung der zehnjährigen, etwa 4,50 Meter hohen „Tante“ Maja und der 1,60 Meter „kleinen“ Kianga gewesen. Wer vermutet hatte, dass das Kalb irritiert sei, lag gründlich falsch: „Maja hat einen erschrockenen Hopser zur Seite gemacht.“ Doch das lässt sich ebenfalls gut erklären: „Sie hat Jungtiere nur gesehen, als sie selbst ein Kalb war.“ Vermutlich musste sie sich erst einmal einen Reim darauf machen, was da plötzlich im Giraffenhaus zwischen bzw. neben den langen Beinen von Kimia herumwuselte.

Papa Timon kennt seine kleine Tochter bisher nur aus der Distanz, denn er muss aktuell noch in der Box bzw. im angrenzenden Freigehege bleiben, während sie im Haus herumstolziert. Mutter und Tochter wiederum bleiben tagsüber stundenweise und in der kompletten Nacht in ihrer Box, um deren Bindung nochmal zu festigen: „Sobald Kianga aber ganz sicher auf ihren vier Beinen steht, wird die kleine Herde vereint“, versichert Jörg Jebram – und das sei bestimmt schon in den nächsten Tagen der Fall.

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Weitere Informationen

Giraffen gehören seit 1961 – seinerzeit waren es bereits Netzgiraffen – bis auf eine kurze Unterbrechung Mitte der 70er Jahre durchgehend zum Tierbestand des Freigeheges Opel-Zoo.

Nach zwischenzeitlich über 30 Jahren sehr erfolgreicher Haltung und Zucht von Rothschild Giraffen sind seit 2021 die Netzgiraffen wieder in der Kronberger Institution beheimatet und damit hat sich der Kreis zu den Anfängen wieder geschlossen.

Hintergrundinformationen zum Grund für diesen Wechsel:

Die Population der Netzgiraffen in Afrika ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen auf derzeit nur noch ca. 11.000 adulte Individuen. Sie werden von der Weltnaturschutzbehörde IUCN als „stark gefährdet“ eingestuft und damit zwei Kategorien höher als die der Rothschild Giraffen (potenziell gefährdet). Im EEP gibt es aktuell 140 Netzgiraffen und die Zucht soll wieder intensiviert werden. So ist der Aufbau einer Zuchtgruppe von Netzgiraffen im Opel-Zoo nur folgerichtig.

Im Kronberger Freigehege war ein unerwartetes Ereignis Anlass, die geplante Umstellung von der Haltung von Rothschild Giraffen auf die der Netzgiraffen umzusetzen: Drei Netzgiraffen aus dem Karlsruher Zoo wurden im November 2021 für die Zeit des Umbaus der dortigen Afrikasavannen-Anlage vorübergehend im Opel-Zoo untergebracht, um sie nicht zu großem Stress durch den Baubetrieb auszusetzen.

Darüber hinaus gab es nach dem Tod von Rothschild Giraffe „Gregor“ im Jahr 2019 keinen Zuchtbullen mehr in Kronberg. Die beiden Rothschild Giraffen, „Katharina“ und „Maud“, sind daher am 20. und 22. März 2023 in den Tierpark Berlin umgezogen, um dort mit dem Rothschild Giraffenbullen „Jabulani“ zu züchten.

Am 30. März 2023 zog Netzgiraffenbulle „Timon“ in dem Opel-Zoo ein, die beiden Kühe „Nike“ und die inzwischen trächtige „Wahia“ – wurden noch im Sommer des gleichen Jahres wieder nach Karlsruhe zurückgegeben. „Maja“ jedoch blieb, quasi als Dank für die Einstellung der Tiere, im Taunus und im Herbst 2023 komplettierte „Kimia“ die Mini-Herde.

Übrigens: Wahia brachte ihr Jungtier am 15. September 2024 im Badischen zur Welt – es war dort die erste Giraffengeburt seit 2015. Damals war es ebenfalls Wahia, die für Nachwuchs sorgte.