In der Begegnung gemeinsam Traumata begegnen

Ukrainehilfe feiert das orthodoxe Osterfest zwei Mal

Von Petra Pfeifer, 5. Mai 2022

Königstein/Bad Soden-Altenhain. Gleich zwei Mal feierte die Ukrainehilfe Königstein mit den in die Burgstadt geflüchteten Menschen das orthodoxe Osterfest. Um den Familien und insbesondere den Kindern eine Freude zu bereiten, stand am eigentlichen Ostersonntag der östlichen Kirche, am 24. April, ein Ausflug auf den Hof der Spatzenscheune in Bad Soden-Altenhain auf dem Programm. Das Team des Reittherapiezentrums Spatzenscheune hatte zu einem bunten, schönen Nachmittag mit den Pferden und anderen Tieren auf dem Hof eingeladen.

Immer voller wurde es auf der herrlich inmitten von Feldern und Obstwiesen gelegenen Anlage, Organisatorin Andrea Schlosshan hatte sogar für Busse gesorgt, damit alle, die sich angemeldet hatten, tatsächlich teilnehmen konnten. Spatzenscheune-Vorsitzende Lia Frankenbach, ihre Vorstandskollegin Anne Booth und das gesamte Team hatten alle Hände voll zu tun, erst mal die Gruppen einzuteilen, die dann nacheinander einen kleinen Ausritt unternehmen sollten. Doch sie hatten das Gewusel im Griff, genügend Übersetzer halfen bei den Sprachbarrieren und so fanden sich rote, grüne, weiße und andere Gruppen allmählich zusammen.

Das Glück dieser Erde… – Hotty, Jillie, Lui & Co. sorgen für glücklich Gesichter

„Wir hatten zunächst überlegt, wie wir es anstellen können, dass jeder drankommt“, berichtete Anne Booth. Das Ergebnis war, dass auf der Strecke hin zum Wald ein Kind auf dem Rücken des Pferdes sitzt, während ein anderes Kind beim Führen des Tieres hilft. Am Waldrand selbst wurde getauscht, so dass bei einer Tour insgesamt zehn Kinder zu einem kleinen Ausritt kamen. Als tierische „Helfer“ standen 15 Tiere zur Verfügung, unter ihnen Hotti, Ole, Biene, Sanny und Reika sowie Lui, Feli, Jillie, Molly und Susi.

Was war das für ein Strahlen, das über die Gesichter der Kinder ging, kaum dass der Poppes den Pferderücken berührte. Anne Booth stellte aber auch fest: „Sie sind ganz unterschiedlich im Angang mit den Tieren.“ Während manche scheu reagierten, waren andere ganz selbstbewusst bei der Sache. Doch eines war schnell klar: Die Freude bei allen war riesig. Dank der hervorragend ausgebildeten Therapiepferde war ja auch mit keiner negativen Überraschung zu rechnen. Allerdings: „Die Pferde spüren die Aufregung. Diese ungewohnte Situation bedeutet für sie geistige Arbeit“, so Anne Booth.

Doch es standen nicht allein Reiten, Streichelzoo sowie Kaffee und Kuchen – Angehörige des Therapievereins und Eltern hier reitender Kinder hatten für eine immense Kuchentheke gesorgt – auf dem Programm. Die ukrainischen Kinder lernten eine für sie sogar ganz neue Tradition kennen: Das Ostereiersuchen, bei dem alle Gruppen nach ihrem kleinen Reitausflug mit Adleraugen das jeweils abgesteckte Wiesenstück unter Obstbäumen absuchte. „In der Ukraine kennen wir das nicht. Bei uns gibt es jedoch den Wettkampf, dass zwei Personen jeweils ein hart gekochtes Ei aneinander dotzen“, berichtet Dr. Alexandra Budnitski von der Ukrainehilfe Königstein. Dessen Ei dabei nicht kaputt geht, hat gewonnen.

Nachträgliches Fest in der evangelischen Kirchengemeinde

Die zweite Feier fand am vergangenen Samstag, 30. April, im evangelischen Gemeindehaus in Königstein/Schneidhain statt. Während „lediglich“ rund 100 Menschen in die „Spatzenscheune“ gekommen waren, fanden sich hier etwa 300 Teilnehmer ein. Klar – Ukrainer oder Angehörige der Ukrainehilfe Königstein waren ebenso eingeladen, wie Gastgeber:innen, die mit Freude ebenfalls gekommen waren.

Auch hier ging es in erster Linie um Geselligkeit und Kommunikation untereinander. Doch das Friedensgebet mit Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer war den Versammelten zu Anfang ebenfalls ein großes Anliegen. Mit ihr gemeinsam gaben sie großen Wünschen Ausdruck. „Wir wollen uns daran erinnern, dass Gott nicht Tod will, sondern Leben“, so die Geistliche. Als Vers, der aktuell „für uns und die Welt“ von Bedeutung sei, nannte sie den zweiten Brief an Timotheus, Kapitel 1, Vers 7: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und Klugheit.“ Die Welt sei jetzt voller Angst „und wir denken an die Menschen in der Ukraine, die Angst haben“. Die Kraft stehe dafür, nicht aufzugeben, die Liebe dafür, sich nicht vergiften zu lassen, und die Klugheit, die richtige Entscheidung und in Deutschland den richtigen Weg zu finden. Es schlossen sich Bitten für Angehörige, für die Freiheit, für Kinder, die klein sind und ihre Heimat vermissen. Mit Blick auf die russischen Angreifer äußerte Katharina Stoodt-Neuschäfer ebenfalls Fürbitten: „Nimm ihnen Dummheit und gib ihnen Einsicht; öffne der Bevölkerung die Augen, dass sie die Regierung fortjagt; nimm dem Präsidenten und den Militärs den Mut und dass sie ihre Ziele nicht erreichen; hilf, dass die Welt zurückfinden kann in Frieden.“ Der Friedensandacht folgte das gemeinsame Beten des „Vater unser“ und der Segen, dann hatten die Versammelten die Möglichkeit, eine Kerze zu entzünden.

Gelöst war das anschließende Zusammensein, das mit der Eröffnung des reichhaltigen Büffets eingeläutet wurde. Das Friedenslamm, das als Zeichen gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine Bestandteil davon war, wurde perfekt von Manouchehr, einem iranischen Flüchtling, der vor vier Jahren nach Deutschland kam, zubereitet und zelebriert. Lebhaft die Gespräche beim gemeinsamen Genießen.

„Unsere WG kann auch zwei Jahre dauern!“

Von Seiten der Gastgeber:innen waren zum Beispiel Petra und Fritz Iversen sowie ihre Freunde Barbara und Christian Schork-Bornitz. „Barbara und Christian hatten uns erzählt, dass eine Familie zu ihnen kommt, sie aber nur drei von den fünf Personen aufnehmen können“, berichtet Petra Iversen. Das war der Moment, dass sie und ihr Mann beschlossen, die anderen zwei Personen bei sich aufzunehmen. Somit leben jetzt Großmutter Luda und ihre zwei Enkel Kyril (12) und Mischa (16) beim Ehepaar Schork-Bornitz und die Eltern der Kinder, Sascha und Anja, bei den Iversens. „Das ist jetzt wie in den Alt 68ern bei uns“, lacht Petra Iversen. Man treffe sich morgens im Schlafanzug zum Frühstücken, würde ukrainisch-deutsch kochen und viel miteinander feiern: „Es ist wunderbar!“ Großmutter und Enkelkinder wiederum hätten ein kleines Gartenhaus für sich. Eine Frist für ihre Gastfreundschaft haben sich weder die einen noch die anderen gesetzt. „Von mir aus kann das zwei Jahre dauern“, versichert Fritz Iversen.

Christian Schönwiesner von der Ukrainehilfe freute sich im Anschluss an das gemeinsame Fest: „Das waren einige Stunden der Entspannung, der hervorragenden Gespräche, des Erfahrungsaustauschs, des Networkings und der gegenseitigen Unterstützung und Menschlichkeit.“