Jüdische Arbeiter – Ein neuer Erinnerungsort

10. Juli 2022

Kelkheim (ut). Im April 2022 wurde die Gedenktafel für die jüdische „Arbeitskolonne“ an ihren neuen Standort Ecke Zeilsheimer Weg/Paul Ehrlich Straße versetzt. Der vorherige Platz der Gedenktafel am südlichen Ende der Zeilsheimer Straße erschien aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum angrenzenden Gewerbe als ungeeignet.

Der neue Standort sowie die mit Blumen geschmückte Einfriedung der Gedenktafel sorgen für eine größere Sichtbarkeit. Damit rückt ein Kelkheimer Erinnerungsort für die Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates wieder stärker in das Bewusstsein.

Erster Stadtrat Dirk Hofmann: „Der neue Standort der Gedenktafel ermöglicht ein sichtbareres und angemesseneres Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus. Aus einer unmenschlichen Ideologie heraus wurden Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und zu Zwangsarbeiten in Kelkheim herangezogen. Diese Gedenktafel soll uns mahnend daran erinnern.“

Für die Aufstellung der Gedenktafel sprach sich am 23. Januar 1984 der Haupt- und Finanzausschuss der Stadtverordnetenversammlung aus, nachdem die UKW-Fraktion einen entsprechenden Antrag gestellt hatte.

Der Text auf der Tafel lautet: „Dieser Ortsverbindungsweg zwischen Münster und Zeilsheim wurde im Jahre 1939 erstmals von zwangsverpflichteten Juden aus Frankfurt ausgebaut.“

Die Initiative für den neuen Standort ging von Heidi Stögbauer und Stadtarchivar Julian Wirth aus. Für die Umsetzung und Gestaltung des neuen Standortes zeichnete sich Siegfried Kralack vom Bauamt der Stadt Kelkheim verantwortlich. Beraten wurden sie vom ehemaligen Stadtarchivar Dietrich Kleipa.    

Historischer Hintergrund: Kelkheims „Judenkolonne“ – April bis Oktober 1939

Im April 1939 trafen 20 Männer aus Frankfurt am Kelkheimer Bahnhof ein. Von dort aus wurden sie in das Gasthaus Taunusblick gebracht. Im Gasthaus wies man den Männern Räume als Unterkunft zu. Zudem erhielten sie Ihre Arbeitskleidung, um unmittelbar mit ihrem „Arbeitseinsatz“ zu beginnen. Dies ist einem Schreiben von Wilhelm Graf, dem damaligen Kelkheimer Bürgermeister, zu entnehmen. Die 20 Männer aus Frankfurt waren zuvor erwerbslos gemeldet. Sie waren Juden, die, in einer sogenannten „Arbeitskolonne“ zusammengefasst, Straßenbauarbeiten verrichten sollten.

Hintergrund dieser Maßnahme war eine Verfügung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom Dezember 1938. „Erwerbslose und wohlfahrtsunterstützte Juden“ sollten für den „geschlossenen Arbeitseinsatz“ herangezogen werden. Ausdrücklich von Hermann Göring gebilligt, war es den Arbeitsämtern fortan möglich, arbeitslose Juden bei Privatunternehmen, Kommunalverwaltungen und öffentlichen Bauträgern unter Zwang zu beschäftigen. Damit sollte die Diskrepanz zwischen Arbeitskraftmangel einerseits und ca. 60.000 arbeitslosen Juden im Jahr 1938 andererseits aufgelöst werden. Ab 1933 kam es zu einer schrittweisen Verdrängung der Juden aus dem Arbeitsleben. Sie wurden zur Zeit des Nationalsozialismus in die Arbeitslosigkeit gedrängt.

Die Stadt Kelkheim gehörte zu den ersten Kommunen überhaupt, die diese „Vermittlung“ durch die Arbeitsämter in Anspruch nahm und eine „Arbeitskolonne“ für den Straßenbau Münster-Zeilsheim einsetzte. Zudem wurden die Juden für Arbeiten in den städtischen Obstanlagen, dem Ausbessern von Feldwegen und dem Kartoffelspritzen eingesetzt.

Der Arbeitseinsatz war mit Demütigungen verbunden. So war es den Juden nicht erlaubt, bestimmte Areale zu betreten, da sie diese „verunzieren“ würden. Sozialleistung konnten von ihnen nicht in Anspruch genommen werden. Ebenso wenig Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. 

In dem halben Jahr ihres „Arbeitseinsatzes“ stellten die insgesamt 40 jüdischen Männer den Weg nach Zeilsheim fertig. Es ist nachgewiesen, dass die meisten von ihnen nach 1941 in den Vernichtungslagern ermordet worden sind.

Bürgermeister Albrecht Kündiger: „Die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus hat auch in Kelkheim seine entsetzlichen Spuren hinterlassen. Nicht nur fernab, sondern auch bei uns direkt in unserer Stadt. Es bleibt unsere Verpflichtung, der Opfer dieses lebensverachtenden Systems zu gedenken und die Erinnerung an Kelkheims jüdische Zwangsarbeiter lebendig zu halten.“ – Fotos: Stadt Kelkheim