Zum Sehen, Riechen, Tasten

Einzigartige Drechselkunst von Thomas Pildner auf der Burg Kronberg

20. September 2022

HTK/Kronberg (ut/pit). In Vertretung von Landrat Ulrich Krebs hat Dr. Frank Ausbüttel, Mitglied des Kreisausschusses des Hochtaunuskreises, am Samstag die Ausstellung „Baum-Metamorphosen“ auf Burg Kronberg eröffnet. Gezeigt werden faszinierende Gefäßobjekte aus besonderen Hölzern, geschaffen von Thomas Pildner.

„Wir freuen uns ganz besonders über die Präsentation der Arbeiten von Thomas Pildner, nicht nur, weil mit ihm – der in Bad Homburg geboren wurde und heute noch hier lebt und arbeitet – ein einheimischer Künstler seine Werke zeigt. In seinen Arbeiten verbindet sich auf schönste Weise Handwerk mit Kunst. Es braucht den Blick des Künstlers, um auszuwählen, welche Hölzer das Potenzial haben, in handwerklichem Prozess zu einem Kunstobjekt zu reifen, das einzigartig die Schönheit ausstrahlt, die dem so vielfältigen Werkstoff Holz innewohnt“, so Dr. Ausbüttel in seiner Begrüßungsrede.

Ästhetik, Zeit, Geschichte und Leben vereinen sich

Und dieses Holz wurzelte oft im waldreichen Taunus mit seinen Naturdenkmälern und hölzernen Zeitzeugen. So ergibt es sich immer wieder, dass Thomas Pildner aus dem Bruchstück eines solchen Giganten Kunstobjekte schaffen kann, Solitäre, wie etwa aus einem abgebrochenen Ast der großen Zeder am Schloss Bad Homburg. „Es ist nicht nur die unwiderstehliche Ästhetik, die den Objekten und Gefäßen innewohnt, sie bergen auch Zeit, Geschichte und Leben in sich“, begeisterte sich Dr. Ausbüttel.

Thomas Pildner zeigt seine Kunstwerke deutschlandweit in Ausstellungen, ist in öffentlichen wie privaten Sammlungen vertreten und wurde 2018 mit dem Hessischen Gestaltungspreis ausgezeichnet. „Damit ist Thomas Pildner ein ausgezeichneter Botschafter für den Hochtaunuskreis“, resümierte Dr. Frank Ausbüttel.

Für den musikalischen Rahmen sorgte Laurids B. Green am Klavier, eine Einführung in das Schaffen des Künstlers gab Ruth Beyer. Als Bildhauerin und Kollegin ist sie mit seinem Werk und den Arbeitsprozessen bestens vertraut, hat seine ersten Schritte auf dem Ausstellungsplanung begleitet: „Inzwischen ein alter Hase in Ausstellungsdingen, gibt er mir ab und zu Tipps.“

Viele Menschen würden zur heutigen Zeit – in ihrem Kopf sei der Platz für Kultur belegt von Krieg, Corona, Zukunftsängsten – von Besuchen von Kunstaustellungen Abstand nehmen, Ruth Beyer aber ermunterte: „Schaffen Sie Platz für die Schönheit, für das Visionäre der Kunst, für den Genuss der Sinne.“ Die Werke von Thomas Pildner seien über die Sinne wahrzunehmen: „Sie sehen die Formen, Sie riechen das Holz, Sie tasten die Strukturen, Sie hören seine Geschichten über das Holz … Nur vom Schmecken würde ich abraten.“

Bitte Vorsicht beim Tasten – nicht jedes Objekt ist behandelt und keines verträgt kratzende Ringe

Mit einem kleinen Exkurs in die Geschichte der Drechselei stellte Ruth Beyer heraus, dass die Holzdrehbank zweifellos die Älteste Maschine der Menschheitsgeschichte ist: „Ohne sie hätte die industrielle Revolution nicht stattgefunden.“ Das Drechseln reiche von der filigranen Elfenbeinminiatur bis zu einem beachtlichen Eingangsportal eines indischen Tempels, flankiert von mächtigen, gedrechselten Säulen aus Speckstein: „Diese Technik scheint wirklich nichts unausführbar zu machen.“

Die Drechselkunst habe längst Einzug in die Kreativität, die Lust am Experimentieren Einzug gehalten und bei der Arbeit von Thomas Pildner liege die Betonung auf dem zweiten Teil des Wortes: „Ihm gelingt es, die Bäume nach deren Absterben zum Reden zu bringen. Man könnte auch sagen, er ist der ‚Der mit dem Holz spricht‘.“ Ihm gelinge es, die Schönheit des Werkstoffes Holz sichtbar zu machen. Jede seiner dicken Baumscheiben erzähle eine Geschichte, für den, der sie zu lesen vermöge: „Man sieht die Jahresringe, die eventuellen Perioden der Trockenheit, die Verletzung durch Menschenhand, die Einflüsse durch Krankheit, aber auch die unbeschwerten Jahre.“

Wenn er dann solch ein Stück ausgewählt werde „und die beiden Zwiesprache genommen haben, dann schenkt er dem Holz, wenn man so sagen möchte, ein zweites Leben“. Sie selbst besitze eine Schale von ihm mit einem Riss, den er mit einer Metallklammer fixiert habe: „Ein außergewöhnliches Stück. Er teilt mit mir die Vorliebe für das Unperfekte.“ Bei seinen Holzgefäßen, die heimischen Ursprungs seien, integriere er gerne das, was vermeintlich als Schaden betrachtet werde. Bruchstellen, Spalten Verwerfungen entwickelten sich zu ausdrucksstarken Gestaltungselementen.

„Wir freuen uns sehr, im Jubiläumsjahr des Hochtaunuskreises hier in diesem fantastischen Rheinberger-Saal eine weitere anspruchsvolle Kunstausstellung zeigen zu können“, bedankte sich Dr. Frank Ausbüttel bei Martha Ried, der Vorsitzenden von Stiftung Burg Kronberg und Burgverein. Und Herbert Bäcker vom Burgverein fügte schmunzelnd hinzu: „Die Burg ist nun 700 Jahre, dass nun so viel Rundes auf so viel Eckigem steht, ist schon besonders.“ Gleichzeitig betrachtete er die Arbeiten des Künstlers als „kulturelles Erbe“.

Die Ausstellung, zu der auch ein Katalog erschienen ist, wird gezeigt bis zum 30. Oktober 2022. Der Besuch ist möglich zu den Öffnungszeiten von Burg Kronberg: Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 13 bis 17 Uhr, Samstag von 13 bis 18 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.

Thomas Pildner über seine Arbeit

Jahrzehntelang steht er am gleichen Ort und ist Zeuge der Geschichte. Im Werkstück erzählt er uns seine Geschichte, sein Wesen wird spürbar und lebt als Erinnerung an etwas weiter, das einmal war und nun nicht mehr ist.

Jeder Baum ist ein Unikat, wie jedes meiner Gefäßobjekte auch. Das Holz für sie stammt von Bäumen aus der Region, die dem Wind nicht standhielten oder aus einem anderen Grund gefällt werden mussten.

Dabei gestalte ich meine Arbeiten ausschließlich aus dem vollen Holz eines Baumes und nehme dabei das Holz an, so wie es ist. Das bedeutet auch, dass ich Spalten, Risse und Bruchstellen bewusst als Gestaltungselemente integriere.

Für mich sind dies keine „Fehler“, sondern Lebensspuren, die den Baum als Lebewesen mit eigener, unverwechselbarer Gestalt zeigen. Dem Menschen sehr ähnlich. 

Im Einklang eines harmonischen Miteinanders von Natur und eigener gestalterischer Auseinandersetzung entsteht so jedes einzigartige Objekt. Mein Werk ist vollendet, wenn es dem Baum die Ehre erweist und nicht nur als Behältnis wahrgenommen wird, sondern als Objekt, das für sich steht.