Nach Übergabe von Zertifikat und Urkunden ist es besiegelt
St. Josef ist Hessens erstes demenzsensible Krankenhaus

Von Petra Pfeifer, 24. April 2025
Königstein. Große Freude und auch eine gute Portion Stolz beherrscht am Mittwoch, 23. April, die Atmosphäre im St. Josef Krankenhaus. Kein Wunder, denn nach wochenlangen Schulungen von rund 100 Mitarbeitenden sowohl hier als auch in den Hochtaunus-Kliniken, überbrachten Ulrika Granér und Dr. Ursula Sottong von der Stiftung Silviahemmet das offizielle, von Königin Silvia von Schweden unterzeichnete Zertifikat, das die Königsteiner Einrichtung als demenzsensibles Krankenhaus ausweist.





















Impressionen der Zertifikats-Übergabe. - Fotos: Petra Pfeifer
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, leben in einer eigenen Welt. Manchmal sind sie verwirrt, manchmal aggressiv, manchmal traurig oder unruhig. Das ist fatal – vor allem, wenn an Demenz erkrankte Patienten ins Krankenhaus kommen. Eine Situation, die sie nicht einordnen können und die sie selbst ebenso wie ihre Angehörigen und das Pflegepersonal häufig überfordert. Denn viele Kliniken sind auf diese Patienten nur unzureichend eingerichtet.
Da muss was geschehen, waren sich Dr. Julia Hefty, Geschäftsführerin der Hochtaunus-Kliniken, Eckard Steffin, Geschäftsführer des St. Josef Krankenhauses, und das gesamte Team des Klinikdirektoriums einig. Denn während in den Hochtaunuskliniken zehn Prozent der Patienten die Nebendiagnose Demenz haben, betrifft dies in St. Josef mit seiner Geriatrie-Station sogar jeden dritten Patienten. „Daher haben wir uns auf die Suche nach einer Institution gemacht, die uns dabei hilft, uns entsprechend zu schulen“, so Julia Hefty bei der Eröffnung der Feierstunde.
„Silviahemmet“ bedeutet „Silvias Heim“
Doch in Deutschland sei man nicht fündig geworden. Allerdings fiel der Blick auf zwei Krankenhäuser in Brandenburg und eines in Niedersachsen, die bereits nach dem Konzept der 1996 von der schwedischen Königin Silvia gegründeten Stiftung „Silviahemmet“ zertifiziert sind – und das Klinikleitungsteam entschied, ebenfalls Kontakt mit „Silvias Heim“ aufzunehmen. „Dass diese Kontaktaufnahme erfolgreich war, können sie heute sehen. Wir sind alle durch knallharte Schulungen gegangen und haben wahnsinnig viel gelernt – und jeder hat den Test bestanden“, freut sich die Klinikgeschäftsführerin sichtlich.
Mit überaus zufriedenem Blick in die Runde stellt sie zudem fest, dass viele Vertreter von Kreis und Stadt zu der kleinen Feier gekommen sind. „Dass Sie uns Ihre Freizeit schenken, ist für dieses Haus immens wichtig!“, so Julia Hefty. Immerhin stelle die anstehende Krankenhausreform eine große Herausforderung dar: „Da hoffen wir auf Ihre Fürsprache.“ Und mit Blick auf Altbürgermeister Leonhard Helm sowie auf Dr. Dieter Hausmann, den ehemaligen ärztlichen Leiter von St. Josef, und Ulrich Lange, dessen ehemaligen Geschäftsführer, fügt sie an: „Ich freue mich, dass Sie alle nahtlos von Ihrem beruflichen Engagement für das Haus in das Engagement in dessen Förderverein gewechselt haben.“
Weiterentwicklung benötigt Reflexion
Silvia-Schwester Ulrika Granér, bei der Stiftung zuständig für die internationalen Kontakte, war per 13-stündiger Bahnfahrt tags zuvor angereist und hatte sowohl das „frische“ Zertifikat als auch die Urkunden aus Stockholm mitgebracht. Von der Stiftung zertifiziert zu werden, bedeute, eine gemeinsame Philosophie zu haben: „Da geht es darum, wie wir den Menschen mit Demenz begegnen, mit ihnen kommunizieren und wie wir eine Beziehung zu ihnen aufbauen.“ Wichtig sei dabei die Teamarbeit, um das gemeinsame Wissen nicht allein zu erhalten: „Um uns weiterzuentwickeln benötigen wir die Reflexion.“ Und mit einem strahlenden Lächeln in den Kreis der Anwesenden versicherte Ulrika Granér: „Gemeinsam sind Sie großartig!“
Mit der Nummer 241 sei Sankt Josef nun ein Teil der exklusiven Gesellschaft der von „Silviahemmet“ zertifizierten Einrichtungen. Mit ihrem Dank an die Verantwortlichen, dass sie sich für diese Zertifizierung entschieden haben, ging allerdings gleichzeitig der Hinweis einher: „Das Zertifikat zu erhalten, ist der einfache Teil des Ganzen – die Arbeit fängt nun erst richtig an.“
Nicht die Größe eines Hauses bewirkt Gesundheit
Landrat Ulrich Krebs als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hochtaunuskliniken: „Herzlichen Dank für diese schöne Auszeichnung und für die Bereitschaft aller Beteiligten, an der Schulung teilzunehmen.“ Für so ein Engagement brauche es Mitarbeiter, die die Philosophie verinnerlichen. Daher freut er sich zeitgleich für die Institution St. Josef: „Denn auch ein kleines Haus wie dieses hat seine Berechtigung.“ Nicht die Größe mache Gesundheit, Menschen mit dementieller Erkrankung könnten sich erfahrungsgemäß in kleineren Einrichtungen besser orientieren. Somit: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Ausrichtung dieses Hauses richtig ist.“ Gleichzeitig sei eine solche Auszeichnung in Zeiten, in denen immer wieder hinterfragt werde, wie es weitergehe, eine Ermunterung.
Stolzes Königstein
Als „besonderen Tag für Königstein und die ganze Region“ wertete Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko dieses Ereignis: „Die Zertifizierung ist ein kraftvolles Bekenntnis für eine moderne, einfühlsame und hochqualitative Versorgung von Menschen mit Demenz – ein Meilenstein!“ Diese Philosophie werde in Schweden seit vielen Jahren mit großem Erfolg gelebt „und ich freue mich sehr, dass Sie jetzt Teil dieses besonderen Netzwerks sind“. Besonders beeindruckt habe sie die Tatsache, dass alle Menschen aus allen Bereichen daran mitgewirkt hätten: „Das ist eine gelebte Kultur des Miteinanders, für Menschlichkeit, Respekt, Verantwortung und ein starkes Zeichen für Innovationskraft – Königstein darf stolz auf Sie sein, ich bin es.“
„Der Mensch ist Zentrum dieses Hauses, nicht die Geriatrie oder die Demenz“, so Leonhard Helm, Vorsitzender des Fördervereins St. Josef, „daher bin ich glücklich, dass Sie diese Philosophie, die die Menschlichkeit in der Pflege zum Mittelpunkt hat, verbreiten.“ Kleine Häuser wie dieses hätten gerade in diesem Bereich einen großen Wert: „Dies ist ein menschliches Haus, in dem wir immer weiter Gutes entwickelt haben und entwickeln.“ Er hofft, dass die Zertifizierung zur Stabilisierung von St. Josef beiträgt.
„Sie haben uns eine inspirierende Zeit geschenkt“, wendet sich Eckard Steffin in seinem Schlusswort an Dr. Ursula Sottong, die die Schulungen durchführte, und versichert gleichzeitig: „Ich habe schon wahnsinnig viele Ideen von den Beteiligten erhalten.“ Immer wieder sei er in den vergangenen Wochen gefragt worden, wann sie umgesetzt werden und kann nun freudig versichern: „Jetzt, mit Übergabe des Zertifikats, starten wir!“
Das Konzept, die Schulung, die Lernprozesse
Der Grundgedanke von „Silviahemmet“ ist es, die Perspektive des erkrankten Menschen einzunehmen und auf dieses Weise seine Bedürfnisse und Reaktionen zu verstehen. Der Kranke lehrt also sein Umfeld.
Qualifiziertes Personal, kompetente Führung und eine gemeinsame Philosophie stehen im Zentrum der Zertifizierung. Das gesamte Team – Pflegekräfte, Therapeuten, Ärzte, Geschäftsführung, Verwaltung, Empfangsmitarbeiter, Techniker Reinigungskräfte und Servicemitarbeiter – wurde in mehrwöchigen Kursen von Dr. Ursula Sottong geschult.
Das umfangreiche Spektrum der Schulungsinhalte beleuchtet die Demenzerkrankung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Am Anfang stehen das Wissen und die Aufklärung: „Was genau verändert sich im Gehirn bei Demenz?“ Die Ursachen und körperlichen Folgen der Erkrankung werden ebenso beleuchtet wie die psychologischen Symptome und Verhaltensänderungen sowie ethische Fragen.
Vor allem geht es darum, die Perspektive des Erkrankten einzunehmen. Oft sind es Kleinigkeiten, die dem Umfeld nicht bewusst sind. Besonders die Raumgestaltung spielt eine große Rolle. Warum reagieren an Demenzerkrankte beispielsweise verschreckt, wenn sie Spiegel sehen? Mit dem Fortschreiten der Demenz erkennen sich Betroffene nicht mehr selbst. Der Blick in den Spiegel kann dann Ängste wecken. Deshalb werden die Spiegel in Patientenzimmern künftig gegebenenfalls abgehängt.
„Wir haben außerdem festgestellt, dass viele unserer Patienten die Bilder, die auf den Fluren hängen, nicht gut sehen können, weil diese nicht auf Augenhöhe hängen“, schildert Katharina Vesper, Referentin der Geschäftsführung, die die Zertifizierung von Anfang an begleitet hat. „Auch haben Menschen mit Demenz im Verlauf der Krankheit zunehmend Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden und vergessen beispielsweise, wo ihr Zimmer ist. Augenfällige Symbole wie eine knallgelbe Sonnenblume auf der Außenseite der Zimmertür und als großes Bild im Zimmer erleichtern die Orientierung. Es sind kleine Puzzleteilchen, die sich langsam zusammenfügen und die Erlebnisqualität der an Demenz erkrankten Patientinnen und Patienten im Krankenhaus verbessern“, fügt sie an.
Die Stiftung
Die Mutter der schwedischen Königin Silvia litt bis zu ihrem Tod lange Jahre an Demenz. Diese eigene Erfahrung war die Initialzündung für die Monarchin, 1996 die gemeinnützige „Stiftelsen Silviahemmet“ zu gründen. Das Konzept basiert auf der Idee, dass Menschen mit Demenz weiterhin in der Lage sind, ein sinnstiftendes und würdevolles Leben zu führen, wenn sie eine individuelle und personenbezogene Betreuung erhalten. Dies ist nur möglich, wenn das Umfeld sich auf den Erkrankten einlässt, ihm mit Verständnis und Empathie begegnet. Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen sollen abgebaut werden und das Thema „Demenz“ in den Alltag geholt werden. Hierfür wird das gesamte Umfeld des Erkrankten von „Silviahemmet“-Trainern geschult.