Gustav Frielinghaus im Interview mit „Allegro! Das Musikfest im Taunus“

21. Juni 2023

Hochtaunuskreis (ut). Am Samstag, dem 24. Juni, um 20 Uhr gastiert eines der besten deutschen Streichquartette in der Katholischen Kirche  Glashütten-Schloßborn: das Amaryllis Quartett mit Gustav Frielinghaus und Lena Sandoz (Violinen), Mareike Hefti (Viola) sowie Yves Sandoz (Violoncello).

Friederike Richter-Wedell von „Allegro! Das Musikfest im Taunus“ hat sich mit dem Primarius des Quartetts unterhalten.

Die Königsdisziplin der Kammermusik: das Streichquartett

Allegro!: Wie lange besteht denn das Amaryllis Quartett schon?

Frielinghaus: Keine ganz einfache Frage, weil es in der Anfangszeit noch einige Umbesetzungen gab. Aber mit Lena und Yves Sandoz spiele ich seit 2004 zusammen. Sprich wir können in einem Jahr unser 20-jähriges Quartett-Jubiläum feiern.

Allegro!: Wenn man sich als junger Geiger, Bratscher oder Cellist entscheidet, Berufsmusiker zu werden, hat man ja meistens den Wunsch im Kopf, entweder ins Orchester mit einer Festanstellung zu gehen oder aber eine solistische Karriere zu machen. Wenn man sich für das Streichquartett entscheidet, hat man zunächst weder die eine noch die andere Option. Was bewegt Musiker dazu, ein Streichquartett zu gründen und was hat Sie von Amaryllis dazu bewogen?

Frielinghaus: Ich habe schon in meinem ersten Studien-Semester an der Hamburger Musikhochschule ein Streichquartett gegründet. Aber Sie haben völlig Recht, zunächst hatte ich auch die Vorstellung ins Orchester zu gehen und habe dann gemerkt, wie wunderbar es ist, sozusagen solistisch zu viert Musik machen zu können.

Allegro!: Kann es sein, dass es beim Streichquartett-Spielen so ähnlich ist wie beim Rudern im Vierer oder Achter?

Frielinghaus: Ja, das ist ein guter Vergleich, und außerdem mal etwas Neues, sonst spricht man ja immer von der »Ehe zu viert«. Es kommt eben auf jeden einzelnen an, aber dann eben auch auf das Zusammenspiel, auf die Flexibilität, das Reagieren aufeinander. Das ist ein sehr vielschichtiger Prozess.

Allegro!: Man verbringt als professionelles Streichquartett sehr viel Zeit zusammen mit nur drei anderen Menschen. Dieses intensive und gemeinsame Arbeiten ist ja etwas anderes als die Zusammenarbeit mit Kollegen im Orchester oder an einer Musikhochschule. Welche Herausforderungen gibt es dabei?

Frielinghaus: Das stimmt, aus dieser ganz engen Zusammenarbeit entstehen natürlich eine Freundschaft, ein tiefes Vertrauen, aber manchmal natürlich auch Konflikte. Da braucht man Geduld, um vielleicht mal über die Macken, die ja jeder hat, hinwegsehen zu können. Aber das Schöne ist natürlich, dass wir viele wunderbare Erlebnisse teilen und auf Reisen auch die außer-musikalischen Dinge zusammen genießen können: Ausflüge, Essenseinladungen und Begegnungen, die ohne die Musik und ohne unser Quartett nie passiert wären.

Allegro!: Die Literatur für Streichquartett spielt in der europäischen Musikkultur eine ähnlich wichtige Rolle wie die Klavierliteratur oder die Sinfonie. Das Streichquartett gilt als die Königsdisziplin der Kammermusik. Worin besteht denn aus Ihrer Sicht für Komponisten der Anreiz, für Streichquartett zu schreiben?

Frielinghaus: Ich denke, es sind die vielschichtigen Möglichkeiten, zum einen für den klassischen vierstimmigen Satz, wie wir ihn von jedem Chor kennen, zu schreiben. Aber dann gibt es eben auch die orchestralen Klänge, die durchaus mit dem Quartett möglich sind. Die lebendige Kommunikation der Stimmen untereinander ist in dieser Runde so schön.

Allegro!: Sie als Amaryllis Quartett arbeiten immer wieder auch mit zeitgenössischen Komponisten zusammen. Gleichzeitig widmen Sie sich intensiv der klassischen Streichquartettliteratur. Wie sehen Sie die Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart?

Frielinghaus: Das ist für uns ein ganz wesentlicher Bestandteil der Quartett-Arbeit. Zum einen ist es für uns selbstverständlich, dass wir uns auch mit der Musik von heute beschäftigen – und eben auch die Fragen an den Komponisten direkt stellen können, das geht ja bei Beethoven nicht mehr. Zum anderen klingen dadurch auch die klassischen Werke anders. Sozusagen im klanglichen Rückblick von heute – für uns, aber auch für das Publikum. Das wird man jetzt beim Konzert deutlich erleben können. Das zweite Beethoven Quartett wird ganz anders wirken, wenn vorher Bartók erklang.

Allegro!: In den letzten Jahrzehnten sind zusätzlich zu den traditionellen Konzertreihen viele Festivals gegründet worden. Eines davon ist Allegro! Was ist beim Spielen für Sie der Unterschied oder gibt es keinen?

Frielinghaus: Gerade die Konzerte im kleineren Rahmen machen mir besonders viel Spaß. Hier ist das Publikum ganz unmittelbar zu spüren und außerdem ist es ja sehr schön, die Musik auch an ungewöhnliche oder entlegenere Orte zu bringen, wo wir ohne Konzertauftritte nie hin gekommen wären.

Allegro!: Wo sehen Sie als Musiker Möglichkeiten, Nachwuchsarbeit zu leisten, damit diese besondere Gattung dem Kulturleben erhalten bleibt?

Frielinghaus: Die Begeisterung für die Kammermusik weiter zu tragen, ist in der Tat sehr wichtig. Das können wir durch interessante Programme und einfach durch unseren Enthusiasmus für die Sache, die sich dann auch auf das Publikum übertragen lässt, erreichen. Dass es grundsätzlich weiterhin sehr viele gute Streichquartette und gute Nachwuchsquartette gibt, verdeutlichen uns gerade die internationalen Wettbewerbe. Das werden eher noch mehr, was zeigt, dass man sich für diese besondere Formation und die großen Werke immer wieder begeistern kann.

Allegro!: Herr Frielinghaus, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch!