Ein Einmischer und eine „Erschließerin“ von Neuland
Jürgen Banzer erhält den Saalburgpreis, Chiara Siebert dessen Förderpreis

Von Petra Pfeifer, 9. Mai 2025
Hochtaunuskreis. Dass Jürgen Banzer, ehemaliger hessischer Staatsminister und Ex-Landrat des Hochtaunuskreises, den Saalburgpreis und Chiara Siebert den Förderpreis des Saalburgpreises für ihre Masterarbeit erhalten sollte, war bereits am 31. Januar bekannt gemacht worden. Am Mittwoch, 30. April, fand nun die Preisübergabe im namengebenden Saalburgkastell statt.










Impressionen von der Preisverleihung. - Fotos: pit
Zu Beginn der festlichen Veranstaltung sorgte Sergio Katz an der Violine mit einer Komposition von Johann Sebastian Bach für eine feierliche Einstimmung und entsprechende Atmosphäre. Landrat Ulrich Krebs erläuterte in seiner Begrüßung: „Beim Saalburgpreis handelt es sich um die höchste Ehrung, die der Hochtaunuskreis alljährlich an Personen verleiht, die sich besonders um die Geschichts- und Heimatpflege verdient gemacht haben.“ Der Preis, der unter der Initiative von Jürgen Banzer ins Leben gerufen worden sei, schließe mit der Verleihung des Geehrten symbolisch einen Kreis.
Denn in den Jahren von 1991 bis 2005, als Banzer Landrat des Hochtaunuskreises gewesen sei, sei auch das Kreisarchiv des Hochtaunuskreises gegründet worden: „Dies war Pionierarbeit, denn es war erst das zweite Kreisarchiv in Hessen.“ Der Förderverein Kreisarchiv des Hochtaunuskreises, dessen Gründungsvorsitzender Jürgen Banzer von 1991 bis 2007 gewesen sei, unterstütze diese Arbeit und mit dem Jahrbuch des Hochtaunuskreises sei zudem eine Plattform geschaffen worden, um die Ergebnisse heimatgeschichtlicher Forschung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
„Nachhaltigkeit ist heute ein großes Thema, in den 1990er Jahren war der Begriff noch nicht so präsent. Doch Jürgen Banzer hat mit dem Dreiklang aus Kreisarchiv, Jahrbuch und Saalburgpreis Nachhaltiges geschaffen“, sagte Landrat Krebs. „Ohne dieses Gerüst wäre die intensive Beschäftigung mit Regionalgeschichte durch Fachleute und interessierte Laien heute nicht denkbar.“ Gleichzeitig freute sich Ulrich Krebs darüber, dass zahlreiche Vertreter von Land – allen voran Ministerpräsident Boris Rhein – Kreistag, Vereinen, Verbänden sowie Weggefährten von Jürgen Banzer gekommen waren, um dem Ereignis beizuwohnen.
Doch bevor es zu dieser Verleihung kam, war es zunächst an Gregor Maier, Leiter des Fachbereichs Kultur des Hochtaunuskreises, die Laudatio auf Chiara Siebert zu halten, die in ihrer Arbeit mit dem Titel „zu disser abschawlich schandt getzwungen[en]“, den Fall einer Hinrichtung wegen Kindesmissbrauchs aus dem Jahr 1582 in Homburg v. d. Höhe untersuchte: „Es ist jedes Mal ein besonderer Glücksfall, wenn ein lokalhistorisches Thema zum Gegenstand einer universitären Qualifikationsarbeit wird. Ein doppelter Glückfall ist es, wenn es sich dabei um eine sehr gute Arbeit handelt. Und ein dreifacher Glückfall ist es, wenn diese Arbeit ein ganz neues, bisher unbeackertes Themenfeld erschließt und zugänglich macht.“ All dies treffe auf die Masterarbeit von Chiara Siebert zu.
Auch düstere Themen müssen ans Licht
Gleichzeitig merkte Gregor Maier an, dass das gewählte Thema schwer und bedrückend sei, gehe es doch um schwere sexuelle Gewalt (s. Bericht zum Vortrag von Chiara Siebert beim Geschichtsverein). An diesem Missbrauchsprozess werde mehreres deutlich: „Wir lernen viel über die Entwicklung des Rechtsdenkens im Übergang von mittelalterlichen zu neuzeitlichen Kategorien, wie in der Vormoderne mit sexueller Devianz umgegangen wurde und wir lernen viel über das praktische Funktionieren einer kleinstädtischen Gerichtsbarkeit.“ Aber auch über Homburg im 16. Jahrhundert, nicht nur über Gerichtsbarkeit und Kriminalität, sondern auch über die Sozialstruktur, über das Schulwesen und das Verhältnis von Stadt und Landesherrn erfahre der Leser dieser Arbeit: „Frau Siebert hat mit ihrer Arbeit also gleich mehrfach Neuland betreten und erschlossen. Das ist deutlich mehr, als üblicherweise von einer Masterarbeit zu erwarten ist.“ Daher sei diese Arbeit auch eine Ermutigung, denn es gelte ja nicht nur für das 20. Jahrhundert, sondern für alle Epochen, dass die Gesellschaft vor düsteren Themen nicht die Augen verschließen dürfe.
In ihren Dankesworten verriet Chiara Siebert: „Für das Verfassen einer solchen Arbeit braucht man, auch durch die Schwere des Themas, viel Muße und vor allem ein Team aus Freunden und Familie, die einen über die Zeit hinweg unterstützen.“ Nicht zuletzt dankte sie auch Peter Maresch von Kreisarchiv des Hochtaunuskreises und Gregor Maier als Vorsitzendem des Geschichtsvereins Bad Homburg: „Ich wurde von ihnen sehr gefördert. Das ist einer der Gründe, weshalb ich am Ende des Tages hier stehen darf.“
Ein Einmischer und würdiger Preisträger
In seiner Laudation an Jürgen Banzer würdigte Ministerpräsident Boris Rhein diesen als einen Menschen, der sich mit Herzblut für die Heimat eingesetzt habe und dieser immer noch verbunden sei: „Jürgen Banzer hat sich eindrucksvoll um das kulturelle Erbe seiner Heimat verdient gemacht und in vielfältiger Weise wichtige Impulse für die orts- und regionalhistorische Arbeit gegeben. Dies hat er mit einer tiefen Verwurzelung in seiner Heimat, mit großem Interesse an historischer Forschung, mit viel Herzblut und Organisationstalent, Begeisterungsfähigkeit und Überzeugungskraft geschafft.“ Der Ministerpräsident dankte dem früheren Minister für sein historisches Engagement für das demokratische Fundament der Gesellschaft: „Du bist einer, der gestalten musst, ein Mensch, der sich in beachtlicher Vielfalt eingebracht hat.“ Jürgen Banzer sei keiner von den Gleichgültigen, sondern immer ein Einmischer und ein mehr als würdiger Preisträger: „Ich freue mich sehr, dass Jürgen Banzer den Saalburgpreis erhält. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Ehrung!“
Mit dem Kreisarchiv habe er ein Kompetenzzentrum ins Leben gerufen, aber auch sein Engagement in den Fördervereinen von Hessenpark, der Saalburg – „sie ist ein Juwel über die Kreisgrenzen hinweg.“ – sowie als langjähriger Vorsitzender des DRK ließ Boris Rhein nicht außer Acht und betonte: „Heimat – das ist es, worum es geht, das ist der Ort, den man vermisst.“
Facettenreiche Geschichtsforschung
Auch die Arbeit von Chiara Siebert würdigte der Ministerpräsident: „Sie ist eine Stärkung der Forschungsleistung anhand eines äußerst anspruchsvollen Themas.“ Ein Thema, das auch in jüngster Vergangenheit nicht ausreichend erforscht sei, betreffe es doch diejenigen, „die unseren besonderen Schutz benötigen“. In diesem Zusammenhang ein großes Kompliment an die Versammelten: „Ich bin beeindruckt, wie hier im Kreis die Geschichte aufbereitet wird, von der Arbeit, die hier geleistet wird.“