„Momente des Erlebens“

Der Demenzsimulator spricht alle Sinne an

21. September 2022

Hofheim (es). Das Bundesgesundheitsministerium übersetzt den Begriff Demenz aus dem Lateinischen mit „Weg vom Geist“ beziehungsweise wörtlich mit „ohne Geist“. Damit ist das wesentliche Merkmal von Demenzerkrankungen vorweggenommen, nämlich der Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit. Am Anfang der Krankheit stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit, in ihrem weiteren Verlauf verschwinden auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses, sodass die Betroffenen zunehmend die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten verlieren. Aber eine Demenz ist mehr als eine „einfache“ Gedächtnisstörung. Sie zieht das ganze Sein des Menschen in Mitleidenschaft: seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben. (Quelle: Bundesgesundheitsministerium)

Noch vor einigen Jahren stieg die Zahl der Alzheimer-Patienten rapide. Wie das Statistische Bundesamt zum Welt-Alzheimertag am 21. September mitteilte, mussten bundesweit 19.356 Menschen im Jahr 2020 mit dieser Diagnose ins Krankenhaus. Damit hat sich die Zahl der stationären Behandlungen binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt: Im Jahr 2000 hatte es 8.116 Behandlungen gegeben.

Das Problem wird größer

Der Demenzsimulator ist unter der Überschrift „Momente des Erlebens“ ein Angebot des Stadtmuseums Hofheim. Er versucht, Demenz erlebbar zu machen und spricht dabei alle Sinne an. Es gibt zwei Zielrichtungen, die die Teilnehmenden erleben sollen. Auf der einen Seite steht die Schwierigkeit, Alltagssituationen zu bewältigen. Ulrike Goretzka von der Fachstelle Demenz/Freiräume: „Stellen Sie sich vor, sie wollen zum Bäcker. Den Weg kennen Sie, aber an diesem Tag sind die gewohnten Wege von einer Baustelle blockiert. Sie müssen einen anderen Weg einschlagen und verlieren die Orientierung.“ Eine demente Person geht unter Umständen weiter in der Hoffnung, irgendwann wieder etwas Bekanntes zu erkennen oder verläuft sich und muss dann gesucht werden. Auf der anderen Seite erleben die Teilnehmenden die eigenen Gefühle, wenn Aufgaben, die scheinbare Routine sind, nicht mehr gelingen.

Das Netzwerk Demenz des Main-Taunus-Kreises berät zu allgemeinen Fragen, Handlungsmöglichkeiten und rechtliche bzw. finanzielle Hilfen. In der Region gibt es Beratungsangebote zur Betreuung und, Tagespflege und Gesprächskreise oder Seminare. Über das Internet können viele Informationen abgerufen werden.

Alle Aufgaben sind nicht leicht zu lösen, jede besteht aus drei Teilen. Begonnen wird mit der Beschreibung der Situation. Wie reagieren die eigenen Kinder, das eigene Erleben der Betroffenen. Es folgt die Beschreibung der Aufgabe und die Aufforderung, sich mit anderen auszutauschen. Wer fertig ist, soll die Anordnung der Aufgabe so hinterlassen, wie sie vorgefunden wurde.

Neben der Erfüllung der Aufgabe ist die Kommunikation darüber besonders wichtig. Wie habe ich mich gefühlt? Was haben andere empfunden? Wer also als Einzelperson die Ausstellung besucht, sollte sich darauf einstellen, mit anderen ins Gespräch zu kommen und nicht nur durchzulaufen. Nur so fühlen und lernen die Teilnehmer:innen den Umgang mit Betroffenen. Jeder erlebt die Welt anders und sieht durch seine Brille. Nach diesem Parcours kann man sich besser in die Welt der Dementen versetzen und Verständnis für die Eigenheiten entwickeln.

Der Demenzparcours kann noch bis zum 24. September 2022 bewältigt werden, dauert etwa 90 Minuten, ist kostenfrei und zu den Öffnungszeiten des Stadtmuseums Hofheim erlebbar. Gruppen sollten sich vorher anmelden. Ab 2023 kann er übrigens innerhalb des Main-Taunus-Kreises mit entsprechenden Fachleuten gebucht werden.