Sommerempfang der IHK

Gespräche zwischen Politik und Wirtschaft

13. Juli 2022

Bad Homburg (ut). Ulrich Caspar, Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, eröffnete die Zusammenkunft von Unternehmern und Politikern aus dem Hoch- und Main-Taunus-Kreis mit den leutseligen Worten: „Ich mache mich jetzt erst einmal unbeliebt, weil ich Ihre Gespräche unterbreche. Klar, dass jeder nach Corona mal wieder individuelle Gespräche führen will.“ Genau das sei ja auch der Sinn dieses jährlich stattfindenden Ereignisses: den Austausch von Wirtschaft und Politik zu ermöglichen. „Es gibt viele engagierte Menschen, egal ob sie haupt- oder ehrenamtlich tätig sind, mit einer Menge an Herzblut und Engagement“, so Caspar weiter, der sich freute, neben etwa 60 Unternehmer:innen auch viele Vertreter aus der Politik begrüßen zu können.

Caspar stellte in seiner Einführung noch einmal heraus, dass die Verbindung der Aktiven in Politik und Wirtschaft sehr wichtig ist. „Derzeit sind wir in Deutschland mit Hoch- und Main-Taunus-Kreis sehr stark aufgestellt  und werden die bevorstehenden schweren Ausgaben meistern.“ Der Fachkräftemangel werde tagtäglich an vielen Fahrzeugen sichtbar gemacht, auf denen Firmen Personal suchen.

Die Preise würden steigen, zusätzlich befeuert durch die Lieferengpässe. Die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten sei hoch und könne nicht wie gewünscht angeboten werden. Er erinnerte an die positive Entwicklung von Oberursel und das Engagement von Hattersheims Bürgermeister Schindling, der viele internationale Unternehmen in „seine“ Stadt geholt habe.

Caspar bedankte bei den Anwesenden für positive Entwicklung in „seinem“ IHK Bezirk. Eine weitere Herausforderung seien jedoch die altersbedingten Abgänge. 120.000 Menschen scheiden im IHK-Bezirk – der Metropol-Region Frankfurt/Rhein-Main jährlich aus dem Berufsleben aus und lediglich 70.000 kommen neu hinzu. Dieses Delta könne nur durch Zuwanderung aus anderen Ländern geschlossen werden, wie es in den 60er und 70er Jahren bereits umgesetzt worden sei. Allerdings gebe es derzeit nicht genügend Wohnraum. Auch die Flächen für Handel und Industrie fehlten, um Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen. Es werde immer schwieriger – wie in früheren Jahren –, einfach auf einen Acker zu ziehen und neu zu bauen. Daher sei besonderer Ideenreichtum gefragt. Allerdings hätten kreativ engagierte Unternehmer:innen Erfolg. „Sichtbar wird dies an Bad Vilbel und Friedrichsdorf“, so Caspar.

Überdurchschnittliche Entwicklung in der Rhein-Main-Region

Grußworte hatte auch Landrat Michael Cyriax (MTK) parat, „obwohl ich mich auf exterritorialem Gebiet befinde“, meinte er schmunzelnd. Zunächst ein Lob in Richtung der Gastgeber: „Schön, dass die IHK alljährlich die Gelegenheit gibt, dass wir miteinander sprechen können, um eventuell neue Projekte für unsere Kommunen zu entwickeln.“ Das Leben in der Rhein-Main-Region und speziell in den beiden Kreisen entwickele sich überdurchschnittlich.

„Frankfurt ist in der TOP Ten der deutschen Städte und auf Platz 7 weltweit gewählt worden, was sich auch auf die Attraktivität der Region auswirkt“, so Cyriax in Hinblickt auf die tagesaktuelle „Hitliste“ und weiter: „Das Deutsche Institut für Wirtschaft hat die Büroarbeitsplätze in die TOP 10 eingestuft.“

Nachdenklich mache ihn, was in der letzten Zeit in der Welt passiert ist. Noch sei nicht zu übersehen, wie sich das alles auf das Leben der Bürger:innen auswirke. „Ich bin nachdenklich geworden“, so Cyriax. Er stelle fest, dass es kein einziges DAX-Unternehmen unter die ersten 100 weltweit geschafft hat. Cyriax: „Wir kümmern uns viel darum, was wir nicht wollen und vergessen zu überlegen, was wir wollen.“ Er habe auch keine Antwort auf diese Frage, doch: „Ich glaube, dass die stolze Industrie auch weiter eine Zukunft hat“, äußerte er sich zuversichtlich. Cyriax: „Auch die Orangerie, in der wir uns heute treffen, ist aus einer Notlage entstanden. Ich bin überzeugt, dass mit Kreativität und Unternehmertum die Zukunftsprobleme zu meistern sind.“

Smartes Bad Homburg vor der Höhe

Oberbürgermeister Alexander Hetjes übernimmt und damit den Faden „Orangerie“: „1844 wurde sie von Kurfürst Wilhelm von Hessen errichtet, um 40 Orangenbäume darin unterzubringen. Der Kurfürst hatte Probleme und wollte mit dem Erlös seine Spielschulden aus dem Casino tilgen“, erläuterte er schmunzelnd. Allerdings sei sie heute ein schöner Ort für zum Beispiel dieses Treffen und: „Der Weg ist auch digital zu finden.“  Einen Stadtplan aus Papier gebe es auch noch für die haptischen Menschen, doch die Teens und Twens gingen mit den digitalen Angeboten ganz anders um. Daher will das Stadtmarketing mit ihren drei Säulen „Arbeitsplatz der Zukunft“, „Smarte City“  und „Zukunftsplanung“ andere Wege gehen.

Die Stadtverordneten haben das Digital-Projekt: Verwaltung, Arbeitsplatz der Zukunft und Smart City. Dazu habe die Stadt Michaela Peschk als Chief Digital Officer (CDO) berufen. Bisher seien 75 Prozent der Leistungen digitalisiert. Bis der gesamte Prozess so ablaufe, dass niemand aufstehen oder etwas ausdrucken müsse, sei es noch ein längerer Weg. 200 Vorgänge will die Stadt bis Ende 2022 noch digitalisieren. „Wer jetzt auf die Homepage schaut, wird nichts davon finden. Sie ist total veraltet und muss komplett neu gelauncht werden“, betont Hetjes. Zudem sollen die Stadtkonzerne integriert werden, die bisher wenig digital zusammen gearbeitet haben. „Wir sind zuversichtlich, alles bis zum Herbst abgeschlossen zu haben“, meint der Oberbürgermeister.

Arbeitsplatz der Zukunft

Der Arbeitsplatz der Zukunft sei noch zu schaffen. Corona habe hier viele positive Spuren hinterlassen. Die Notlösungen seien sehr gut gelungen und trotz der Eile habe alles reibungslos geklappt. Hetjes: „Homeoffice ist aber nicht alles. Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) ist wie eine Fußfessel für die Suche nach qualifizierten IT-Personal.“ Da sehr viele Unternehmen Personal suchten, seien attraktive Arbeitsplätze und Gehälter sehr wichtig. Auf einem Arbeitnehmer:innen-Markt seien auch Fragen nach dem Work-Life-Balance entscheidend. „Der öffentliche Dienst hat die Work-Life-Balance erfunden und perfektioniert, sage ich dann immer“, schmunzelt Hetjes. Leider reiche eine solche Versicherung nicht und es gebe somit viele Ausschreibungen, bei denen sich niemand bewirbt.

Smart City

„Was bedeutet das und was will die Stadt Bad Homburg? Parken ist immer ein großes Thema und mittlerweile steht die Mobilität als Gesamtes mehr im Fokus“, so Hetjes. Die Stadt habe ein „Digitales Gründerzentrum“ gegründet, an dem auch die Taunus Sparkasse beteiligt ist. Künftig sollen die touristischen Ziele mit QR-Codes ausgestattet werden, die dann per Smartphone abgerufen werden können. Durch Digitalisierung könnten auch die Klimaziele besser auf den Weg gebracht werden. „Besonders am Herzen“, erklärt Hetjes, „sind mir die Bürgerbeteiligungen. Kommunalpolitik spielt in den herkömmlichen gedruckten Medien eine immer geringere Rolle.“ So will der Oberbürgermeister die Online-Möglichkeiten stärker nutzen, damit Bürger:innen nicht plötzlich von Entscheidungen der Stadtverordneten überrascht werden.

Digitale Infrastruktur

Wie soll sich Bad Homburg bis 2030 entwickeln? Eine der Kernfragen, die in einem Masterplan einfließen sollen. Bisherige Erkenntnisse der Befragungsfirma war, dass sich überdurchschnittlich viele Menschen aus Bad Homburg an den Online Befragungen beteiligen. Es kann nur von Nutzen sein, wenn sich viele einbringen und nicht plötzlich, völlig überrascht, Bürgerinitiativen gründen. Hetjes: „Daher arbeiten wir an einer digitalen Bürgerbeteiligungsplattform, die so etwas in großem Umfang möglich machen soll. Mit einem Mehrwert für die Bürger der Stadt.“

Das nächste Problem ist die digitale Infrastruktur. Derzeit sind 1.400 Wohnungen im Bau oder kurz davor. Diese brauchen schnelle Datenautobahnen und müssen mit Glasfaser versorgt werden. Die Stadt ist zuversichtlich, dies bis Ende 2023 mit einer Spezialfirma zu realisieren: „Ziel ist es, die drei Säulen der Digitalisierung bis 2027 zu realisieren.“

Anschließender Austausch

Wie auch in den Vorjahren nutzten viele Gäste anschließend die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und womöglich die ein oder andere Idee zu entwickeln. Wir sind gespannt, was sich in den nächsten Monaten in der Region tut.