„Die Menschen freuen sich, dass Sie hier sind!“

Jüdische Gemeinde transportiert jüdische Geflüchtete nach Bad Homburg

Von Petra Pfeifer, 14. März 2022

Bad Homburg. Die rund 20 ukrainischen Männer, Frauen und Kinder in den Bänken der Synagoge sitzen zu sehen, ist ein Anblick, der zugleich traurig und glücklich stimmt. Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor bringt es später in ihrer herzlichen Begrüßung auf den Punkt: „Natürlich wäre es besser, wenn Sie in Ihrer Heimat sein könnten, doch so, wie es dort gerade ist, ist es gut, dass Sie nach Bad Homburg gekommen sind.“

Sie stammen aus den unterschiedlichsten ukrainischen Städten: Kiew, Odessa, Lviv, Luhansk und anderen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie es der Initiative von Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft Bad Homburg zu verdanken haben, dass sie hierher kommen konnten – die Kontakte wiederum seien durch Freunde und Verwandte hergestellt worden, die eine Beziehung zur hiesigen Gemeinde haben. „Wir hatten schon Flüchtlinge in der ersten ukrainischen Krise hier, doch die die jetzigen Schicksale sind viel verzweifelter als damals“, berichten Rabbiner Shalom Dov Ber Rabinovitz sowie die Vorstände Evgeniy Sternberg und Arthur Iliyav. Alle hierher Geflüchteten hätten schlechte Zeiten in den vergangenen Wochen erfahren. „Doch wir haben auch Positives erlebt: Die ganze Gemeinde hat geholfen, die einen sorgten für Material, die anderen für die Lieferung und wieder andere für Unterkunft“, so der Rabbiner. Er hob insbesondere die „sehr, sehr gute Unterstützung“ von der Stadt hervor.

Ein Dank, den Oberbürgermeister Alexander Hetjes in seiner Begrüßung der Ukrainer gerne zurückgab: „Wir waren in engem Austausch, weil es uns ein Bedürfnis war, Sie in Bad Homburg willkommen zu heißen.“ Es sei für die Menschen hierzulande nicht vorstellbar, was die Geflüchteten erlebt hätten. Er wisse zwar, dass Heimat nicht zu ersetzen sei, „doch wir werden alles tun, damit Sie sich hier heimisch fühlen“, versicherte der Rathauschef und wandte sich an den Gemeindevorstand: „Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, dass er uns sofort kontaktiert hat. Das ist bürgerschaftliches Engagement, das höchste Anerkennung verdient!“ Was auf zwischenmenschlicher Ebene geleistet werde, könne eine Stadtverwaltung gar nicht leisten. Und den gerade Angekommenen versicherte er nochmals: „Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Situation in Bad Homburg. Die Menschen hier freuen sich, dass Sie hier sind, sie helfen Ihnen und unterstützen Sie: Sie sind willkommen!“ Mit diesen Worten verband er die Hoffnung, dass dieses Wissen ein wenig dazu beitrage, das Leid etwas zu mildern.

Daran anknüpfend meinte Lucia Lewalter-Schoor: „Ich wünsche mir, dass Sie hier etwas Frieden finden“, und ermunterte die Anwesenden: „Was immer Sie brauchen, um hier gut anzukommen – Sie haben wunderbare Paten – melden Sie sich, worum es geht. Wir helfen!“ Sie selbst sei jeden Tag am Beten, dass wieder Frieden in der Ukraine einkehre.

Einige der Anwesenden berichten in Einzelgesprächen von dem, was ihnen oder ihren Angehörigen in der Ukraine widerfahren ist. Die Ex-Freundin von Boris Abramov lebte mit der gemeinsamen Tochter in Kiev: „Sie verbrachten zwei Wochen im Bunker. Ständig hörten sie die Bombeneinschläge.“ Dann hätte es plötzlich geheißen, sie hätten jetzt zwei Minuten Zeit, die schützende Unterkunft zu verlassen und die Flucht anzutreten. Ihr verbliebenes Hab und Gut hätten sie in lediglich drei Plastiktüten untergebracht gehabt und die Brücke, über die sie gegangen seien, sei kurz darauf in die Luft geflogen. Tränen laufen über die Wangen von Boris Abramov während er berichtet. Er selbst lebt zwar schon seit 20 Jahren in Deutschland, doch das Schicksal von Mutter und Tochter hat ihn tief erschüttert. Das Kind habe bei der Ankunft zunächst nicht gesprochen, allerdings ginge es dem Mädchen mittlerweile wieder relativ gut: „Seine Mutter hat sozial-psychologisch mit ihm gearbeitet.“ In Anbetracht all des Unglücks, das die beiden erlebt haben, ist Abramov überwältigt von der Hilfe die sie hier erfahren haben: „Schon eine Stunde nach ihrer Ankunft hatten sie eine Unterkunft in Friedrichsdorf.“ Und kommenden Freitag schon kann das Kind zur Schule gehen.

Von zwei anderen Mädchen, die ihr Vater abgeholt hat, berichtet Maria Chernyak: „Sie sind 11 und 18 Jahre alt und mussten ihre Eltern zurücklassen.“ Dann gibt es auch Kinder, die hierher kamen, ihre Mütter aber erst am nächsten Tag nachreisen konnten.

„Unterkünfte zu finden ist das Hauptproblem, das wir jetzt haben“, so Arthur Iliyav. Im Übrigen ist die Gemeinde dabei, weitere Geflüchtete hierher zu holen und auch der Transport mit Hilfsgütern soll fortgesetzt werden.

Wer die jüdische Gemeinde dabei finanziell unterstützen möchte, kann spenden an:

Verein der Freunde und der Förderer der jüdischen Kultur und Religion – Bad Homburg v.d.H  e.V., IBAN: DE54 5125 0000 0001 0871 18

oder Paypal: https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=T6VSB2E8K45EC

Verwendungszweck: Flüchtlinge aus der Ukraine:

Wer persönliche, materielle oder moralische Unterstützung leisten möchte, schreibt eine Mail an: Juedisch.hg@gmail.com.