„244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“

Neue Dauerausstellung gibt Einblicke in die Geschichte der Landgrafschaft Hessen-Homburg

5. Oktober 2022

Bad Homburg (pit/ut). 1622 begann mit Friedrich I. (1585-1638) die Landgrafenzeit Hessen-Homburg und sie endete 1866 mit dem Tod des kinderlosen Ferdinand (1783-1866). Somit währte sie 244 Jahre und dementsprechend bezieht sich die neue Dauerausstellung mit ihrem Titel „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ im Schloss Bad Homburg auf die Dauer der Landgrafschaft und die Anfangsbuchstaben der Vornamen des ersten und letzten Landgrafen, zieht einen Bogen vom ersten Landgrafen bis zum letzten männlichen Vertreter der Dynastie.

150 Exponate erzählen Geschichte(n)

„Die ersten Überlegungen zu dieser, entstanden gegen Ende der Eliza-Ausstellung“, berichtet Kirsten Worms, Direktorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG). Sie entsprangen dem Wunsch, die Landgrafenschaft zu präsentieren. Und so wurde seit November 2021 geplant und gedacht, kreativ und konstruktiv gewirkt, sowohl die Bibliothek als auch die Ahnengalerie entsprechend zu gestalten. Zunächst galt es jedoch, grundsätzlich zu sanieren. Die vom hessischen Hofarchitekten Georg Mollder geschaffenen Räume waren 1965 nach einem Hausschwammbefall entkernt worden, Decken- und Wanddekorationen gingen dabei weitestgehend verloren.

„Es gibt eine neue Infrastruktur“, so Kirsten Worms, das betreffe vornehmlich die Elektrik. Bei der Farbgebung der Räume habe sich das Team auf die archivarische Beschreibung von Rehgrau (Bibliothek) und Teegrün (Ahnengalerie) gestützt, die Decken sind jetzt Weiß gehalten: „Wir haben das Gold aus den 70er Jahren zurückgenommen, weil es historisch nicht korrekt ist.“ Ulrich Haroska, Leiter des Fachgebiets Restaurierung, der die Gesamtprojektleitung zur Restaurierung der Säle und Realisierung innehatte: „Zum Glück haben wir eine sehr gut nachvollziehbare Quellenlage zur Baugeschichte, die wir eingehend ausgewertet haben.“ Das erklärte Ziel lautete, dass die Ausstellung sich behutsam in die historische Atmosphäre einfügen sollte.

Edel umgesetzt

Das Ergebnis ist gleichermaßen ansprechend wie beeindruckend. Um den Charakter der Bibliothek zu wahren, wurden jeweils drei Vitrinen in die insgesamt sieben Regale eingearbeitet, die Besucher:innen per kleiner Knöpfe am Rahmen des Regals ganz nach Wunsch auf einmal oder nacheinander beleuchten. Deutlich mustern können Betrachter:innen dann die darin enthaltenen, nach Themenkomplexen zusammengestellten Stücke aus der Alltags- und Herrschaftsgeschichte Hessen-Homburgs. Die jeweiligen Überschriften lauten zum Beispiel „Staatlichkeit“, „Baugeschichte“, „Musenhof“ oder „Fernweh“.

Die Vermittlung der Exponate wiederum erfolgt analog über Bücher, die auf den Stehpulten – „Unsere Tischler haben sie hergestellt, wie auch die Restaurierung der Exponate zum größten Teil die Mitarbeitenden in den hauseigenen Werkstätten stattfanden“, Kirsten Worms – vor den Schaustücken installiert wurden. Insgesamt handelt es sich um 150 Ausstellungsstücke inklusive Gemälde, die meisten von ihnen waren bisher noch nie zu sehen, waren im Depot untergebracht.

Das silberne Bein ist hölzern! – Wieviel Fächer hat der „Hundertfächerschrank“?

Besonders nahe kommt das Publikum Landgraf Friedrich II. (1633-1708), dem Bauherrn des barocken Residenzschlosses. Zu den Erinnerungen an ihn gehören die Kopie einer Lebendmaske des etwa 50-Jährigen, seine vom preußischen Bildhauer Andreas Schlüter entworfene Bronze-Büste in Barockpose und das sogenannte „Silberne Bein“ des Landgrafen, das in der Orthopädie-Geschichte relativ bekannt ist. Dabei handelt es sich um einen von Schlossbaumeister und Hofalchemist Paul Andrich (1640-1711) konstruierten mechanischen Ersatz für den im Krieg eingebüßten rechten Unterschenkel. Es ist erstmals seit etwas zwölf Jahren wieder für die Besucher:innen zu sehen. Allerdings besteht es ist nicht aus Silber!

„Das Bein selbst ist aus Lindenholz gedrechselt, mit Leder- und Leinengurten zur Befestigung und Baumwollpolsterung versehen“, so Ulrich Haroska. Yannick Philipp Schwarz oblag mit Nora Möritz, beide wissenschaftliche Mitarbeitende der Restaurierungsabteilung, Restaurierungsabteilung. Er vermutet, dass es als „silbern“ bezeichnet wird, könnte, in Anlehnung an die sprichwörtlich „silberne Zunge“, die die Wahrheit spricht, entstanden sein: „Vielleicht weil er damit anschließend besser laufen konnte als mit seinem richtigen Bein, das nach einem Bruch in seiner Jugend wohl recht schlecht verheilt war.“

Ein weiteres besonderes Erlebnis ist der prunkvolle Aufsatzsekretär, der vermutlich für Landgraf Friedrich III. Jacob (1673-1746) ins Schloss kam. Ein dreieinhalbminütiger Film zeigt das Möbelstück, das in Bad Homburg besser unter dem Namen „Hundertfächerschrank“ bekannt ist, im Detail und zählt nach, ob die Zahl der Fächer des Sekretärs seinen Namen bestätigt.

Digitale Vermittlung in der Ahnengalerie

Drei Brüder. – Foto: Hessische Hausstiftung

In der neu gestalteten Ahnengalerie stellen Porträts und Familienbildnisse aus drei Jahrhunderten die wichtigen Persönlichkeiten der landgräflichen Zeit vor. Eine digitale Medienstation ermöglicht es, die Biografie der Dargestellten entweder per Klick auf ein Bild oder auf ihren Namen im Stammbaum, in deutscher oder englischer Sprache nahezukommen.

Begleitausstellung

Bereits seit Herbst 2021 gibt es die Begleitausstellung „Vom Landgrafensitz zum Kaiserschloss 1622 – 1866 – 1918“ eine, durch viele interaktive Elemente bereicherte, Einführung in die Baugeschichte des Schlosskomplexes sowie seine Zeit als Residenz der Landgrafen und als Sommersitz der preußischen Könige und deutschen Kaiser. Sie ist während der Öffnungszeiten des Schlosses kostenfrei zugänglich.

Online-Sammlung geht an den Start

In den Tagen nach der Eröffnung der Ausstellung wird die Online-Sammlung der SG starten, die auf der Plattform „museum-digital“ aufgespielt wird. Zum Start werden etwa 40 Objekte aus der Schau „24ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ gezeigt. Sie bilden den Auftakt einer stetig wachsenden Zahl von Exponaten aus den Museen der Schlösserverwaltung, bis Jahresende sollen dann schon etwa 80 Objekte präsentiert werden, Die Sammlung richtet sich sowohl an Wissenschaftler:innen wie an interessierte Laien.

Pudiumsdiskussion

Bei einer Podiumsdiskussion wollen Fachwissenschaftler:innen die internationalen Verflechtungen der hessen-homburgischen Dynastie in den Fokus rücken. Am 18. Oktober 2022 diskutieren sie ab 19 Uhr in der Schlosskirche vor allem das „Eheglück“ des drei Mal verheirateten Landgrafen Friedrich II., dessen Aufsehen erregendes, in Teilen aber noch immer rätselhaftes Familienbildnis in der Ahnengalerie zu sehen ist. Teilnehmende sind unter anderen Professor Dr. Ralph Tuchtenhagen von der Berliner Humboldt-Universität und Professor. Dr. Inken Schmidt-Voges von der Universität Marburg. Dr. Katharina Bechler, Leitung Fachgebiet Museen der SG, wird den Einführungsvortrag halten. Die Anmeldung zu der in Präsenz und Online stattfindenden Veranstaltung ist noch bis zum 14. Oktober per Email an service@schloesser.hessen.de möglich.

Besichtigung und Preise

Die Ausstellung „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ ist seit dem 5. Oktober geöffnet und kann individuell besichtigt werden. Das Ticket kostet vier Euro pro Persön. In Verbindung mit Führungen durch den Englischen Flügel und die Kaiserlichen Appartements gibt es Kombitickets. Die Preisgestaltung können den Besucherinformationen  im Internet entnommen werden.

FriedrichII - Familienbild. - Foto: Hessische Hausstiftung