„Mit Herzblut und Leidenschaft warst Du Erster Bürger der Stadt“

Feierliche Verabschiedung von Gerhard Liese

Von Petra Pfeifer, 30. Juni 2023

Usingen. Es gibt Menschen, die ihr Umfeld derart positiv prägen und beeinflussen, dass man sie nicht so ohne weiteres oder gar grußlos ziehen lassen möchte. Wegen Corona fiel die Verabschiedung des langjährigen Stadtverordnetenvorstehers Gerhard Liese, der Zeit seines Lebens viel Ehrenamt zum Wohle der Usinger:innen leistete, recht knapp aus. Daher wurde das „Adieu!“ nun nachgeholt. Nicht mit Pauken und Trompeten, sondern in einer würde- und klangvollen Feierstunde im August-Wilhelmj-Salon.

Gerhard Liese und Dr. Christoph Holzbach, der ihm als Stadtverordnetenvorsteher gefolgt ist. – Foto: Stadt Usingen

Zunächst hieß es jedoch, einen kleinen Gang durch den Schlossgarten zu machen. Schließlich gab es ein ganz besonderes Geschenk von Seiten aller Fraktionen für den Kommunalpolitiker, der 1977 Spitzenkandidat der CDU war, dann Stadtverordneter, Fraktionschef, ehrenamtlicher Erster Stadtrat und zuletzt eben Parlamentschef: Eine Silberlinde wurde Gerhard Liese gewidmet. Quasi als Reminiszenz an das dichte, silbrig schillernde Haupthaar des 83-Jährigen, der nach dem Abschied von Rathauschef Matthias Drexelius (CDU) im Jahr 2010 auch zeitweise das Bürgermeisteramt innehatte, 16 Jahre im Umlandverband wirkte, als Ministerialdirigent im Kultusministerium agierte und mehrere Jahre auch im Kreistag aktiv war.

Dr. Christoph Holzbach, sein Nachfolger als Stadtverordnetenvorsteher, hielt die Laudatio: „Dir als Stadtverordnetenvorsteher oblag es, nicht nur darauf zu achten, dass die Formalien, auf die wir in Deutschland ja besonderen Wert legen, eingehalten werden.“ Gerhard Lieses Aufgabe sei insbesondere auch gewesen, durch eine ausgewogene und neutrale Sitzungsleitung dafür Sorge zu tragen, dass die Regeln des Parlaments gewahrt und der Umgang der Parlamentarier miteinander von Anstand und gegenseitigem Respekt geprägt wurden.

„Damals saß ich in der Runde der Parlamentarier und habe Dich oftmals dafür bewundert, mit welcher Ruhe, Contenance und Neutralität es Dir gelang, auch hitzige Debatten zu leiten“, so Holzbach, der sich schmunzelnd ebenfalls daran erinnerte, dass er selbst von Gerhard Liese mal zur Ordnung gerufen worden sei, als er den Redebeitrag eines Kollegen mit den Worten „Sie sind doch bloß ein Schulmeister“ erwiderte: „Das ging auch Dir, lieber Gerhard, der Du während Deiner beruflichen Zeit Lehrer mit Leib und Seele warst, zu weit.“

Die Sopranistin Natalia Cerniaieva stammt aus der Ukraine und lebt heute in Westerfeld. – Foto: Stadt Usingen

Christoph Holzbach würdigte auch Gerhard Lieses Umgang mit den Usinger:innen: „Deine Art, den Bürgerinnen und Bürgern zunächst einmal zuzuhören, ihr Anliegen ernst zu nehmen, im Rahmen Deiner Möglichkeiten unterstützend oder helfend tätig zu werden, ist etwas, was Dich in besonderer Weise auszeichnet.“ Seine Tätigkeit als Stadtverordnetenvorsteher sei von Engagement, Leidenschaft und einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein geprägt gewesen: „Das Wohl der Stadt Usingen war es, an dem Du Dein Handeln, Deine Entscheidungen ausgerichtet hast.“ Damit habe Gerhard Liese dazu beigetragen, dass Usingen eine lebenswerte und attraktive Stadt sei, „in der sich die Menschen wohl fühlen und gerne leben“.

Auch für Bürgermeister Steffen Wernard ist Gerhard Liese mehr als ein politisch-beruflicher Wegbegleiter: „Über Jahre verbindet uns eine tiefe Freundschaft.“ Gerne erinnert er sich daran, dass sie sich schon seit seiner Messdienerschaft kennen und schätzt seither vor allem seine Verlässlichkeit, Standhaftigkeit und das Vertrauen, das man ihm stets habe entgegenbringen können.

Gerhard Liese selbst, noch gerührt von der Würdigung, blickt im persönlichen Gespräch zurück: „Es war manchmal nicht ganz einfach, aber vielleicht habe ich die Gabe, mit Menschen gut umzugehen.“ Er freute sich insbesondere, dass an dieser Feierstunde zu seinen Ehren alle Fraktionen vertreten waren.

Und was waren seine Meilensteine? „Wir haben viel für Schulen gemacht, konnten eine neue Grundschule bauen und für die ältere Generation wurden zusammen mit der Kirche zwei Altenwohnheime errichtet.“ Auch die Gestaltung des Alten Marktplatzes sei eine große Aufgabe gewesen: „Aufgrund von Eigeninteressen gab es viel Widerstand.“ Doch das Lob aller Betroffenen im Nachhinein bezüglich des Erreichten habe dem ungebrochenen Einsatz recht gegeben.

Auch der Blick auf den Kulturkreis Usinger Land oder auf Blickpunkt Usingen, bei dem er sich weiterhin engagiert, darf nicht fehlen. „Sie haben eine gute Wirkung.“ Außerdem gibt er weiterhin Seminare, wirkt bei Veranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung für junge Menschen mit und als ihr Ehrenvorsitzender bleibt er der CDU weiterhin erhalten.

Familie Liese unter der gleichnamigen Silberlinde. – Foto: Stadt Usingen

Doch dann heißt es auch einmal innezuhalten und zu reflektieren, woher er seine Kraft für so viel bürgerschaftlichen Einsatz bezieht: „Ich habe eine wunderbare Frau.“ Dann sind da auch noch zwei Söhne und eine Tochter und sage und schreibe zehn Enkelkinder. Langweilig wird es somit auch bei (teilweiser) Aufgabe seiner ehrenamtlichen Ämter nicht, zumal er in Usingen-Wilhelmsdorf den ehemaligen Bahnhof mit großem Garten bewohnt, der gepflegt werden möchte.

Außerdem: „Ich bin stolz auf meinen großen Freundeskreis, der seit über 50 Jahren zusammenhält. Daraus ziehe ich viel Kraft.“ Abgesehen davon: „Ich war immer eine Frohnatur“, blickt Gerhard Liese augenzwinkernd auf seinen allmählich etwas gemütlicher werdenden Unruhestand.

Für das musikalische Rahmenprogramm im Verlauf der Feierstunde sorgte Friedrike Richter-Wedell. Sie hatte hierfür die aus der Ukraine stammende Sopranistin Natalia Cerniaieva sowie deren Landsmann Viacheslav Zagorodniev am Flügel engagiert. Es erklangen „Vocalise“ von Sergej Rachmaninoff, die Aria der Giuditta aus der Oper „Giuditta“ sowie „Une vie d’amour“ von Georges Garvarents.