Oberursel zu Fuß - Verbesserungsbedarf identifiziert

Dietrich Andernacht (links) zeigt den VCD-Expert:innen das Fußgänger-Risiko an der Allee auf Höhe des Eiscafés. - Foto: Andreas Beck

Von Andreas Beck, 20. April 2022

Oberursel. „Oberursel hat eine hohe Lebensqualität“, ist sich die Besuchergruppe des Verkehrsclub Deutschland (VCD) einig, die sich am 14. April 2022 unter der orts- und fachkundigen Führung von Dietrich Andernacht durch die Brunnenstadt bewegt. Die Expert:innen für den Fußverkehr waren zu einem Rundgang durch die Innenstadt eingeladen, um im Wortsinne der Frage nachzugehen, wie es um die Lebensqualität derjenigen bestellt ist, die ihre alltäglichen Wege in Oberursel vorrangig zu Fuß erledigen.

Hintergrund ist das von der Stadt in Auftrag gegebene Fußverkehrskonzept, mit dem das externe Planungsbüro „plan&rat“ beauftragt wurde. Sobald es vorliegt, wird es von den zuständigen Gremien der Stadt gelesen, bewertet und in eine schrittweise Umsetzung gebracht. Andernacht, Mitglied der Oberurseler Stadtverordnetenversammlung für die LINKE, hatte sich erfolgreich dafür stark gemacht, dass Anja Zeller, politische Landesgeschäftsführerin des VCD Landesverband Hessen, als Expertin in den städtischen Lenkungskreis eingeladen wurde. Damit Zeller diese Aufgabe gut wahrnehmen kann, folgte sie der Einladung zu einem Rundgang zu Schwachstellen des Fußverkehrs in Oberursel. Mit ihr nahmen weitere sechs interessierte Bürger:innen an dem Spaziergang teil.

Einen besonderen Schwerpunkt des Ortstermins nahm die Allee vom Bahnhof zur Vorstadt ein, an der viel Licht (eine breite Promenade, die von Fußgängern und Radfahrenden harmonisch geteilt wird) und viel Schatten (nachfolgend beschrieben) zu entdecken waren. Anja Zeller wunderte sich beispielsweise über das bestehende Fußgängerrisiko auf Höhe des Eiscafés, wo zahlreiche Fußgänger:innen die Straße queren und dabei bislang auf einen „Zebrastreifen“ verzichten müssen. Stattdessen soll ein Warnschild die Autofahrer auf querende Fußgänger hinweisen und zur Rücksicht mahnen. Andernacht sagt: „Angeblich ist hier kein weiterer Zebrastreifen möglich, weil dem das Straßenverkehrsrecht entgegenstehe. Aber kein Eis-Kunde läuft hoch bis zur Fußgänger-Ampel oder hinunter bis zum Zebrastreifen an der Einmündung zur Aumühlenstraße, um dann auf der anderen Seite zu den Sitzmöbeln des Eiscafés zurück zu kehren. An mindestens zehn anderen Stellen in der Stadt wurden Zebrastreifen in geringem Abstand angelegt – hier scheint der Wille dafür zu fehlen.“

Nur wenige Meter weiter findet die Besuchergruppe anschaulich vor, welch ein Chaos und welche Risiken durch die Zufahrt von der Allee zu dem kleinen Kundenparkplatz unterhalb der Postfiliale verursacht wird. In beide Richtungen stauen sich die Autos, da Parkplatzsuchende und Wegfahrende Mühe haben, ihr Ziel zu erreichen. Verkehrswidrige ‚Kurzzeitparker‘ erschweren die Lage. Dazwischen riskieren Kleinkinder auf Laufrädern, betagte Mitbürger:innen mit Gehhilfen und Radfahrende Kopf und Kragen, um „ihre Promenade“ durchgehend nutzen zu können. „Man sollte den Parkplatz zur Allee hin schließen und ihn nur noch über die ebenfalls Adenauerallee heißende Straße hinter dem Park anbinden“, schlägt Andernacht vor.

Just auf der gegenüberliegenden Straßenseite begutachtet die Gruppe die sehr schmale Aufstellfläche an der Bushaltestelle, Fahrtrichtung zum Bahnhof, wo Wartende und Passierende sich gegenseitig ins Gehege kommen. Und an der Fußgängerampel von der Promenade zur Vorstadt zeigt sich eine für Fußgänger unfreundliche Ampelschaltung: „Immer wenn der Autoverkehr von der Oberhöchstädter Straße kommend zum Bahnhof grün hat und in die Gegenrichtung die von dort kommenden Autos Richtung Polizei fahren dürfen, sollte der Fußverkehr von der Promenade zur Vorstadt automatisch grün haben“, schlägt Andernacht vor und fügt an: „Stattdessen ist hier eine sogenannte ‚Bettelampel‘ vorhanden, die nur dann grün gibt, wenn man dies anfordert. Für eine der zentralen Fußwege in die Einkaufsstraßen des Zentrums völlig unverständlich – unter Hygieneaspekten in der Pandemie noch viel mehr. Überall soll man sich die Hände desinfizieren und hier sollen hunderte Passanten pro Tag eine Schaltfläche berühren.“

Insgesamt erörtern die Fußverkehrs-Expert:innen an diesem Tag mehr als 15 konkrete Beispiele einer Verkehrspolitik, die für die Bedürfnisse von Kindern, Menschen mit Gehhilfe oder Rollstuhl sowie junge Eltern mit Kinderwagen ein Ärgernis oder gar eine Gefahrenquelle darstellen. Fehlende Querungshilfen an vielbefahrenen Straßen und stark unebenes Straßenpflaster, beispielsweise. Anja Zeller schreibt fleißig mit und verspricht beim Ausklang des Rundgangs in einem Biergarten: „Mit mir als Lobbyistin für einen menschenfreundlichen Stadtverkehr werden diese Schwachpunkte ganz sicher in den Sitzungen des Lenkungskreises zur Sprache kommen.“