Kleinbahn-Erinnerungen

Schwerer Unfall auf der Kleinbahn AG Frankfurt – Königstein

Von Andreas Christopher, 23. Februar 2022

HTK/MTK. Leider gibt es nicht nur schöne Kleinbahn-Erinnerungen. Die Chronisten-Pflicht gebietet es, dass auch über weniger erfreuliche Ereignisse berichtet wird. Eines dieser schrecklichen Ereignisse geschah am 17. November 1966, einem Donnerstag, auf der Kleinbahn Frankfurt – Königstein (FK).

Damals fuhren nicht alle Züge von Frankfurt-Höchst bis Königstein durch, sondern endeten bereits in Kelkheim oder Kelkheim-Hornau. Einer dieser Züge war der Zug 2175, ein aus einem dreiteiligen Esslinger Triebwagen (VS 204, VS 202 und VT 101) bestehender Zug, der um 17:24 Uhr in Kelkheim-Hornau endete. Die Fahrgäste und auch das Zugpersonal hatten die Fahrzeuge verlassen. Zwei Fahrgäste waren schon wieder eingestiegen.

Auf einmal setzte sich der Triebwagen langsam in Bewegung und rollte bergab in Richtung Frankfurt-Höchst. Durch das starke Gefälle wurde der führerlose, leere Zug immer schneller. Einer der beiden Fahrgäste, ein zwölfjähriges Mädchen, sprang rechtzeitig ab. Der andere Fahrgast, ein 22-jähriger Schlosser aus Frankfurt, las Zeitung. Warum er nicht die Notbremse betätigte oder warum diese nicht funktionierte, blieb ungeklärt. Versuche des rechtzeitig alarmierten Fahrdienstleiters in Kelkheim-Münster, den Geisterzug durch einen Bremsschuh und Ablenken in ein Nebengleis zum Entgleisen zu bringen, schlugen fehl. Der Triebwagen raste mit hoher Geschwindigkeit weiter.

Von Frankfurt-Höchst war unterdessen um 17.25 Uhr der voll besetzte Berufsverkehrszug 2177 in Richtung Königstein gestartet, geführt von der Dampflokomotive 262 und bestehend aus älteren, zweiachsigen Personenwagen. Eine Möglichkeit, den Personenzug noch zu warnen, gab es nicht. Und so war die Katastrophe nicht mehr vermeidbar: Zwischen Frankfurt-Unterliederbach und Niederhofheim-Oberliederbach kam es um 17.32 Uhr zum folgenschweren Zusammenstoß. Kurz davor versuchte das Lokpersonal noch eine Notbremsung, dann sprangen Lokführer und Heizer ab. Mit einem ohrenbetäubenden Knall bohrten sich die beiden Züge ineinander.

Der vorn laufende Steuerwagen VS 204 des führerlosen Triebwagenzuges lief auf die 87 Tonnen schwere Dampflokomotive auf und zerplatzte wie eine Seifenblase. Er schob sich ganz über die Lok, die erst am nächsten VS 202 zum Stehen kam. Auch dieser wurde noch erheblich beschädigt. Die Front des am Zugschluss laufenden VT 101 wurde ebenfalls eingedrückt. Die im Personenzug laufenden Personenwagen, zum großen Teil noch mit Holzaufbauten, boten ein Bild der totalen Verwüstung. Nur der direkt hinter der Dampflok laufende FK 27 (ex RRE 105) und der am Zugschluss laufende FK 5, der letzte, allerdings modernisierte Wagen aus dem FK-Ursprungsbestand, blieben mit beiden Achsen auf den Gleisen.

Aus den Personenwagen bargen die Rettungskräfte sechs Tote und 66 Verletzte. Der siebte Tote wurde am Folgetag aus dem zerstörten VS 204 geborgen. Die Aufräumarbeiten, für welche die DB zwei Hilfszüge zur Verfügung gestellt hatte, dauerten bis Samstagmittag. Erst an diesem Abend konnte der fahrplanmäßige Betrieb zwischen Frankfurt-Höchst und Königstein wieder aufgenommen werden. Die Wracks der Triebwagen hatte man nach Niederhofheim-Oberliederbach geschleppt, und die Personenwagen standen anschließend in Frankfurt-Unterliederbach an der Ladestraße abgestellt.

VS 204 und sämtliche sieben Personenwagen (FK 5, 21-22, 24-27) des lokbespannten Zuges wurden anschließend ausgemustert. Die erst kurz vor dem Unfall aus der HU im Aw Frankfurt-Nied gekommene Dampflok 262 wurde wieder aufgearbeitet und lief noch bis zu ihrer Abstellung im Jahre 1969. Auch die erst sechs Jahre alten VT 101 und VS 202 wurden repariert. Als Ersatz beschaffte sich die FK vier dreiachsige Umbauwagen-Pärchen von der DB. Von der Tegernseebahn kam deren VT 26 und VS 1 zur FK (dort VT 90, VS 166).

Später gab es natürlich Untersuchungen zur Unglücksursache. Dabei entdeckte man, dass die Gleise im Bahnhof Kelkheim-Hornau nicht völlig eben verlegt waren, wie eigentlich vorgeschrieben und in den Bauplänen vermerkt. Außerdem ging man nach den Untersuchungen davon aus, dass die Bremsen des VT-Zuges in Kelkheim-Hornau durch einen technischen Defekt nicht angelegt waren.

Quellen:

  • Die Kleinbahn, Heft 27, Gifhorn 1967
  • Quill, Klaus-Peter: Kleinbahn A.-G. Frankfurt am Main – Königstein, Gifhorn 1979
  • Fink, Jochen; Jost, Valentin: Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn AG 1902-1992, Königstein/Ts. 1992
  • Wolff, Gerd; Christopher, Andreas: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 8: Hessen, Freiburg 2004