Kunst im Wald

Ein von Haikus begleiteter Kunstwanderweg

Von Petra Pfeifer

Neu-Anspach. Als Anne Killat mit dem Projekt „Kunst im Wald“ beziehungsweise „Kunstwanderweg“ begann, war die Welt noch „in Ordnung“. Ein Thema wie „Corona“ war eher in Fiktionen zu finden als im Alltag. Doch der Klimawandel war leider schon viel länger als vor zwei Jahren allgegenwärtig. Vor allem aber waren es die 2018/2019 notwendig gewordenen Baumfällungen im Neu Anspacher Stadtwald, die sie zu künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Thema anregten: „Damals habe ich hierzu eine Video-Dokumentation verfasst, deren Präsentation bei einer Veranstaltung des BUND im März 2020 im Bürgerhaus Neu-Anspach und anlässlich der Mitgliederversammlung des Vereins WaldLiebe im darauf folgenden Juni 2020 stattgefunden hat.“ Ein Film, in dem sie zwölf Fotografien mit Haikus (kurze japanische Gedichte – nähere Erläuterung s. Textende) und meditativer Musik zusammengestellt hat. Eine künstlerische Dokumentation, mit der sie die Betrachter durch Ästhetik zu einer Beschäftigung mit der Umwelt und den derzeit besonders spürbaren Folgen des Klimawandels und womöglich langfristig zu einem schonenden Umgang mit den Ressourcen anregen möchte.

Ein pandemiegerechter Kunstwanderweg

Als sich im Verlauf des vergangenen Jahres aufgrund der Pandemielage herausstellte, dass es kaum weitere Möglichkeiten für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen geben werde, bei denen das Video hätte gezeigt werden können, dachte Anne Killat um: „Es entstand die Idee, die im Film gezeigten Fotografien nebst Texten als meditativen Kunstwanderweg in den Wald zu bringen, um die Bilder jederzeit pandemiegerecht erlebbar zu machen und sie dort hinzubringen, wo die Menschen sich derzeit verstärkt aufhalten: bei Freizeitbeschäftigungen in der heimischen Natur.“

Finanzielle Unterstützung erhielt sie hierfür durch ein Stipendium der Hessischen Kulturstiftung, mit dem die Herstellung der Bildtafeln überwiegend finanziert werden konnte. Weitere tatkräftige Unterstützung fand die Foto-Künstlerin durch die Stadt Neu-Anspach, Förster Christoph Waehlert, Caroline Pfaff, stellvertretende Leiterin des Naturparks Taunus, sowie durch Bernd Reuter, Vorsitzender des Anfang 2020 gegründeten Vereins WaldLiebe: „Im Team haben wir die Strecke für den Kunstwanderweg ausgewählt und die konkrete Umsetzung erarbeitet.“ Vom Seniorenbeirat der Stadt Neu Anspach wurden außerdem zwei neue Sitzbänke gesponsert, die zusammen mit den Bildtafeln am Weg installiert sind.

Ästhetik durch Reduzierung

„Mit Haiku-Texten beschäftige ich mich schon seit mehr als vier Jahren, Ende 2017 habe ich einen Kurs in der dazugehörigen Fotografie-Technik gemacht“, berichtet Anne Killat. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie beschlossen, ihre Tätigkeit als Steuerberaterin aufzugeben und sich als Künstlerin selbstständig zu machen. Es ist das Reduzierte in den Texten, das sie berührt: „Das macht auch meine Fotografien aus.“ Intuitiv entstünden die meisten Bilder; überwiegend in der Natur, wo der Wandel, das stete Entstehen und Vergehen an vielen Orten spürbar wird. Und auch wenn es manchmal so wirke, bearbeite sie die Bilder anschließend nicht am PC. Die ästhetisch überaus ansprechenden Ergebnisse erzielt sie allein durch die Bewegung der Kamera während langer Belichtungszeiten oder durch gezielte Überbelichtung. „Höchstens zum Intensivieren von Farben bediene ich mich manchmal der Technik am Computer“, verrät Anne Killat, die der Liebe wegen aus Düsseldorf nach Rod am Berg gezogen und seit Januar dieses Jahres zweite Vorsitzende des Bad Homburger Kunstvereins Artlantis ist.

Es ist ein Kreislauf, der mittels dieser zwölf Tafeln entstanden ist. Bäume, die vergehen, weil der Borkenkäfer an ihnen nagt, die sich mittels Harzausstoßes versuchen, selbst zu heilen, gefällte Bäume, die aufgestapelt werden und schließlich Bilder eines intakten, wieder entstandenen Waldes. Die ausgewählten Texte stammen überwiegend aus dem 16. bis 18. Jahrhundert und wurden von Menschen kurz vor ihrem Tod formuliert. Aber auch Haikus, die anlässlich der Jahreszeiten entstanden sind, fanden bei der Installation von Anne Killat Einlass.

Wer die Bilder mit den Texten gerne mit nach Hause nehmen möchte: Anne Killat hat aus ihnen einen immerwährenden Kalender im DIN A3-Format drucken lassen, den es zum Preis von 25 Euro zu kaufen gibt. Er kann über killatfotoart.de bezogen werden und der Erlös kommt dem Verein WaldLiebe für weitere Waldschutzprojekte zugute.

Haiku

Ein Haiku ist ein traditionelles japanisches Gedicht, das aus drei Zeilen besteht. Ihm fällt die Aufgabe zu, den flüchtigen Augenblick eines Naturerlebnisses in wenige, treffende Worte zu fassen, um so auf das unbegreifliche Geheimnis hinzuweisen, das sich in ihm offenbart. Das gelingt aber nur, wenn jedes Wort gemieden wird, das über die Stimmung des erlebten Augenblicks hinausgeht. Für ein gutes Haiku sollte es dem Dichter gelingen, eine in sich geschlossene lyrische Stimmung zu erzeugen. Diese Stimmung erwächst dabei nicht allein aus dem Einklang seiner Worte, sondern auch aus seiner Zurückhaltung.